Dienstag, 3. Juli 2012

Stiften gehen

Ein Kommentar der Infoblog-Redaktion

Eine Stiftung soll es nun also richten. "Für alle Mitarbeiter ist das eine gute Perspektive, denn nichts ist so auf Dauer angelegt wie eine Stiftung», sagte Halff. Die Stiftung, deren Unternehmensform eine GmbH bleibe, solle gemeinnützige, kulturelle und kirchliche Ziele verfolgen. (zit. n. Augsburger Allgemeine).

Klingt nach einem Happy End für alle Beteiligten. Ist die kommende Weltbild-Stiftung tatsächlich für alle Mitarbeiter eine gute Perspektive?

Keine Zerschlagung (vorerst)

Beginnen wir mit der guten Nachricht. Eine Zerschlagung der Weltbild GmbH und damit auch der DBH-Finanzholding ist damit eher unwahrscheinlich geworden. Man hätte vermutlich für die Bereiche Internet und Versand einen Käufer gefunden, nicht aber für den gesamten stationären Bereich, also die Masse der Hugendubel- und Weltbildplus/Jokers-Läden. Außerdem wollte man keinesfalls den Preis einer evtl. damit verbundenen "Heuschrecken"-Debatte bezahlen. Investoren dürfte auch das kämpferische Engagement der Weltbild-Belegschaft abgeschreckt haben.

Das heißt aber nicht, daß der Status quo unverändert bleiben wird. Halff, der weiter die strategische Führung inne hat, wird die eingeleiteten Prozesse fortführen: Ausbau des Internet-Bereiches sowie Rückbau des stationären Bereiches. Bestes Beispiel dafür ist der (Teil-) Rückzug aus Karstadt. Mit Geldern aus der damals anscheinend noch vollen DBH-Kriegskasse kaufte man nicht nur Habel, Weiland & Co ein, sondern stieg auch bei Karstadt ein. Ein Engagement, das das damalige Thalia-Management scheute.
Der Karstadt-Rückzug bedeutet das endgültige Scheitern der früheren, langjährigen Strategie der Expansion im stationären Bereich. Zukünftige Expansion findet nur noch im virtuellen Raum statt.


Was ist eigentlich eine Stiftung?

Eine Stiftung ist eine Einrichtung, die mit Hilfe eines Vermögens einen vom Stifter festgelegten Zweck verfolgt. Eine gewisse Sonderform der rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen oder – häufiger – öffentlichen Rechts sind die kirchlichen Stiftungen. Kirchliche Stiftungen sind solche Stiftungen, deren Zweck es ist, überwiegend kirchlichen Aufgaben zu dienen und die entweder von einer Kirche errichtet werden oder nach dem Willen des jeweiligen Stifters der Aufsicht einer kirchlichen Stelle unterliegen sollen.

Ihre Anerkennung erfolgt ebenfalls durch die zuständige staatliche Behörde, die Aufsicht über sie obliegt nicht dem Staat, sondern ausschließlich der jeweils nach Kirchenrecht zuständigen Kirchenbehörde. (zitiert nach Wikipedia).


Was ändert sich durch die neue Stiftung?



Bisher funktionierte die Kontrolle über die ökonomische Macht bei Weltbild so:
- Eigentümer waren zu 100% die beteiligten Bistümer, der Verband der Diözesen und die Soldatenseelsorge
- die Weltbild-Geschäftsführung wurde kontrolliert durch den Weltbild-Aufsichtsrat, der großteils aus Kirchenfunktionären bestand, an der Spitze Generalvikar DDr. Peter Beer, laut Auskunft des Erzbistums in  "allen Verwaltungsaufgaben der Ständige Vertreter des Erzbischofs, Kardinal Reinhard Marx".
- die Gewinne wurden gemäß den prozentualen GmbH-Anteilen an die beteiligten Diözesen ausgeschüttet.
- allen Informationen zufolge fielen die Kirchenvertreter nicht duch eine übermäßige Profitgier auf,sondern ließen Halff wohl den Großteil der Gewinne wieder reinvestieren.

Was ändert sich also durch die neue Stiftung?

Wie die juristische Konstruktion der neuen Weltbild-Stftung genau aussehen wird, weiß noch niemand.
Man kann aber davon ausgehen, daß folgende Basisannahmen gelten werden: 
- der Vorsitz der zukünftigen Weltbild-Stiftung wird wieder durch Kirchenfunktionäre gestellt, die in ihrer Zusammensetzung die Eigentums- und Machtverhältnisse repräsentieren.
- die erwirtschafteten Gewinne sollen laut Halff für "gemeinnützige, kulturelle und kirchliche Ziele" verwendet werden, die vermutlich wie gehabt gemäß den prozentualen GmbH-Anteilen an die beteiligten Diözesen ausgeschüttet werden dürften.
Man braucht keine große Phantasie, daß in den Augen der Kirchenfürsten auch die bisherige Verwendung der Weltbild-Gewinne "gemeinnützigen, kulturellen und kirchlichen Zielen" gedient hat.


Alter Wein in neuen Schläuchen?


Abgesehen von der formaljuristischen Stiftungs-Konstruktion ändert sich im Prinzip kaum etwas an den Macht- und Eigentumsverhältnissen bei Weltbild. Die Operation Stiftung ist das Resultat eines unüberlegten Verkaufsmanövers, in das man sich durch einige fundamentalistische Gruppen in Deutschland und im Vatikan hat treiben lassen. Die Begründung, daß man mit Weltbild weiter im gesellschaftlich relevanten Medienbereich präsent bleiben will, ist fadenscheinig, weil Weltbild kein Meinungsbildungskonzern wie Bertelsmann oder Springer ist, sondern ein Handelsunternehmen. Da der warme Geldregen eines Verkaufs ausgeblieben ist, hängt man dem Ganzen jetzt das sozial wirkende Stiftungs-Mäntelchen um.

Kardinal Marx kann in Zukunft noch mehr als Pontius Pilatus auftreten und seine Hände in Unschuld waschen: Weltbild? Hugendubel? Filialschließungen? Sozialtarifvertrag? Damit habe ich nichts, aber auch gar nichts zu tun! Bitte wenden Sie sich an die Gremien der gemeinnützigen Weltbild-Stiftung! Ich weiß von nichts! Ich bin nur der wichtigste katholische Sozialethiker in Deutschland!
Wie sozial das alles ist oder sein wird, kann man am Zukunfts- bzw. Sozialtarifvertrag sehen.
Der Abschluß des Zukunftstarifvertrages ist ein großartiger Erfolg, der bei Weltbild von Belegschaft, Betriebsrat und unserer Gewerkschaft erkämpft worden ist. Man muß aber auch klar sehen, daß er nur für den Standort Augsburg gilt. D.h. für die Bereiche Internet und Versand, in denen im Gegensatz zum stationären Bereich Mitarbeiter eingestellt und nicht ausgestellt werden. Dort, wo der Zukunftstarifvertrag eigentlich am nötigsten wäre, da gilt er nicht:  nicht für die Beschäftigen in den Läden von Weltbildplus, Jokers oder bei den jetzt betroffenen KollegInnen bei Karstadt (DBH Warenhaus). Nicht zu vergessen die Kolleginnen und Kollegen bei Wohlthat in Berlin, die schon vor längerem auf´s Abstellgleis geschoben worden sind. Auch hier wurde bislang kein Käufer gefunden.

Und natürlich dürfen wir uns selbst hier bei Hugendubel nicht vergessen. Seit den Massenentlassungen im Sommer 2009 kämpfen wir für einen Sozialtarifvertrag. Wie die lange Liste der seitdem erfolgten Filialschließungen zeigt, mit sehr gutem Grund.

Fazit?
Wenn die soziale Verantwortung der Bischöfe als Miteigentümer von Hugendubel mittels Stiftung stiften geht, dann bleibt uns nur eines: Weiterkämpfen!

PS: Die Idee zu einer Stiftung hatte die Infoblog-Redaktion bereits im Dezember 2010.
Unsere Stiftungskonzeption stellen wir den Gremien des Weltbild-Aufsichtsrates gerne nochmals zur Verfügung!





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