Montag, 28. Juni 2021

Riders on the storm

Arbeitskampf bei Gorillas-Lieferdienst 

Scheinbar aus dem Nichts? Wilder Streik bei Gorillas  Gorillas Arbeiter*innen treten nach der fristlosen Entlassung ihres Kollegen Santiago (Mitte) in einen wilden Streik und blockieren die Filiale am Checkpoint Charlie. Bild: Simon Zamora Martín.

 

Beschäftigte des Online-Supermarktes Gorillas treten nach fristloser Kündigung eines Kollegen in einen wilden Streik und blockieren Lager in Berlin. Erneut. Bereits im Februar legten die Beschäftigten spontan die Arbeit nieder. Die kurze Geschichte eines intensiven Kampfes.  

„Ohne sich vorzustellen, teilte sie mir mit, dass ich mit sofortiger Wirkung entlassen sei!“ Santiago ist schockiert und hat Angst, seine Miete nächsten Monat nicht mehr zahlen zu können. Mit seinem Visa hat er keinen Anspruch auf soziale Grundsicherung. „Ja, ich bin heute Morgen 40 Minuten zu spät gekommen“, bestätigt Santiago. „Darüber hatte ich aber zuvor mit dem Rider-Op gesprochen.“ Rider-Ops sind die Schichtleiter der Fahrradkuriere. Die Frau, die die Kündigung ausgesprochen hat, kannte er nicht. Und weder sie noch der Rider-Op konnte ihn die Frage beantworten, wie viel Fehltritte er gemacht hätte. Seine Kolleg:innen hingegen betonen immer wieder, was für ein guter Mitarbeiter er ist. Er sei sogar ganz oben im Ranking der besten Rider dabei gewesen. Was aber auch egal sei, denn Santiagos Kündigung verstehen sie als Drohung gegen alle Beschäftigten: In der viel zu langen Probezeit braucht es keine Gründe für Entlassungen.

So unerwartet wie Santiagos Entlassung war auch die Reaktion seiner Kollegen: Aus Protest legten sie spontan die Arbeit nieder. Keine drei Stunden später standen knapp 70 Gorillas-Beschäftige aus verschiedenen Schichten und Standorten vor dem Lager in der Charlottenstraße. Die erste Reaktion der herbeigeeilten Manager sei lediglich gewesen zu betonen, dass es sich bei dem Protest um einen illegalen Streik handelte. Erst als die Arbeiter*innen beschlossen aus den Fahrrädern vor dem Eingang eine Barrikade zu errichten und eine Menschenkette zu bilden, um Streikbrechern den Zugang zum Lager zu verwehren, lenkte das Unternehmen etwas ein. Sie verzichteten darauf die Polizei zu rufen, teilten Masken und Wasser aus und boten den Beschäftigten ein Gespräch an.

Donnerstag, 24. Juni 2021

"Rot heißt: Der Beschäftigte ist inaktiv"

  Überwachung bei Amazon


Anlässlich der Anhörung im Europäischen Parlament zu Unternehmenspraktiken des US-Konzerns Amazon in Europa erhebt die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) schwere Vorwürfe gegen den Handelsriesen. „Die Betriebspolitik bei Amazon ist gekennzeichnet durch eine aggressive Strategie innerbetrieblicher Kontrolle, die immer wieder auch Profiling und Datenschutzverstöße beinhaltet“, so Orhan Akman, ver.di-Bundesfachgruppenleiter für den Einzel- und Versandhandel.

Konkret wirft ver.di dem Konzern vor, mittels Künstlicher Intelligenz und digitaler Prozesse die Beschäftigten rund um die Uhr zu scannen. „Amazon-Beschäftigte in Deutschland klagen darüber, dass jeder ihrer Arbeitsschritte durch den Einsatz entsprechender Software getrackt würde“, so Akman. Visuelle oder akustische Signale sorgten permanent dafür, dass die Unternehmenskontrolle immer wieder ins Bewusstsein gerufen werde: „Rot heißt: Der Beschäftigte ist inaktiv. Auch wenn es um eine minimale Arbeitsunterbrechung geht, werden Beschäftigte angesprochen“, berichtet der Gewerkschafter.

Jeder kleinste Fehler habe ein sogenanntes Feedback zur Folge. Außerdem seien alle Scanner standardmäßig mit Mikrofonen ausgestattet, berichteten die Beschäftigten. Zwar bestritten die konzerninternen Datenschützer das Abhören durch die installierten Mikrofone, doch Akman fürchtet, die Optimierung des Arbeitsprozesses fiele am Ende extrem zu Lasten der Beschäftigten aus. „Durch den Einsatz von Kameras, Mikrofonen und Scannern werden die Beschäftigten zu gläsernen Menschen. Das macht enormen psychischen Druck und vor allem krank“, sagt der Gewerkschafter.

Dienstag, 15. Juni 2021

DGB Rechtsschutz erstreitet 34,8 Millionen Euro für bayerische Gewerkschaftsmitglieder

Di Pasquale: "Gewerkschaftsmitglieder sind klar im Vorteil!"

 

Die DGB Rechtsschutz GmbH konnte im Jahr 2020 vor Gericht insgesamt 34,8 Millionen Euro für Gewerkschaftsmitglieder in Bayern erstreiten. Dabei entfällt die größte Summe auf Streitigkeiten im Bereich des Arbeitsrechts (28,9 Millionen Euro), gefolgt vom Sozialrecht (5,6 Millionen Euro) und vom Verwaltungsrecht (0,3 Millionen Euro).

Dazu Verena Di Pasquale, stellvertretende Vorsitzende des DGB Bayern: „Gewerkschaftsmitglieder sind klar im Vorteil, im Betrieb genauso wie vor Gericht. Denn der DGB Rechtsschutz verhilft ihnen zu ihrem Recht. Das ist auch bitter nötig, denn nach wie vor halten sich viele Arbeitgeber nicht an gesetzliche Regelungen. Das zeigt schon die enorme Summe von knapp 29 Millionen Euro, die der DGB Rechtsschutz allein vor bayerischen Arbeitsgerichten erstritten hat. Mein großer Dank geht daher an die Kolleginnen und Kollegen des DGB Rechtsschutz, die den Gewerkschaftsmitgliedern in dieser schwierigen Situation zur Seite stehen.“

Die DGB Rechtsschutz GmbH konnte 2020 in Bayern 12.988 Fälle vor Gericht abschließen. Davon wurden 8.058 Fälle (62 Prozent) vor Arbeitsgerichten verhandelt, 4.460 Fälle (34,4 Prozent) vor Sozialgerichten und 470 Fälle vor Verwaltungsgerichten (3,6 Prozent). Bei den arbeitsrechtlichen Streitfällen ging es überwiegend um Arbeitsentgelte (41 Prozent) oder Kündigungen (27 Prozent). Die sozialrechtlichen Verfahren bezogen sich hauptsächlich auf die Themen Arbeitslosengeld I, Schwerbehindertenrecht und Rentenversicherung.