Weihnachten naht und die heiße Zeit des Jahres beginnt. 25-30 Prozent des Jahresumsatzes erwirtschaften wir allein zu Weihnachten. Dementsprechend hoch ist der Arbeitsaufwand für die Mitarbeiter/innen vor Ort in den Filialen, auch aber im HSC.
Weihnachten bedeutet die doppelte bis dreifache Menge an Waren und Kunden, Weihnachten sind gestresste sowie nervöse Konsumenten. Weihnachten sind zusammenbrechende Barsortiments-Server und Fehllieferungen. Weihnachten sind Kundenbeschwerden und lange Schlangen an den Kassen. Weihnachten sind Mehrarbeit und zusätzliche Sonntage.
Leider zeigte die Erfahrung der letzen Jahre, dass die personellen Kapazitäten nicht mit dem Mehraufwand bzw. dem Mehrumsatz übereinstimmen. Zwar werden zusätzlich günstige Aushilfskräfte für Kassen und Service eingestellt (TG1), doch erhalten die Kolleginnen und Kollegen im Sortiment eher selten Unterstützung. Die sogenannten Sortimentsaushilfen (TG2) wurden mit den Personalmaßnahmen 2009 faktisch „abgeschafft“. Auch die eingestellten Kassenaushilfen deckten den Personalbedarf in den letzten Jahren nicht zu 100%, die Lücken wurden durch Filialleitung, Abteilungsleitungen und Sortimentern geschlossen. Der Grundstein der Mehrarbeit, die ankommende Ware, fällt im Sortiment an. Daher ist die Personaleinsatzplanung oft irritierend und erstaunlich. Lücken im Sortiment müssen Einkäufer ausbaden, die wiederum ihrer eigentlichen Tätigkeit nicht nachkommen können. Verärgerte Kunden, nicht verräumte Ware und unaufgeräumte Sortimente werden billigend in Kauf genommen, auch außerhalb des Weihnachtsgeschäftes. Persönlich wird es durch die daraus resultierenden Folgen, Mitarbeiter leiden unter enormen Druck, der Frust der Kunden entlädt sich im Sortiment, Stress und Unzufriedenheit führt zu gesundheitlichen Problemen. Die Krankenstände im Unternehmen steigen seit 2009 immens.
Statt gegenzusteuern wird die Personalschraube mit viel Kraft weiter nach unten geschraubt. Dies lässt auch für dieses Weihnachtsgeschäft wieder nur Schlechtes erwarten.
Die Krankenstände nahmen seit dem angeblichen Überwinden der Krise wieder zu. Vor allem junge Arbeitnehmer/innen und Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen leiden unter ihren Arbeitsbedingungen, sie meldeten sich 2010 (alle Zahlen stammen aus dem aktuellen DAK Gesundheitsreport) doppelt so häufig krank wie ältere Arbeitnehmer/innen. Jede/r zehnte Arbeitnehmer/in unter 29 Jahren leidet an psychischen Krankheiten oder Schmerzen ohne organischer Ursache. Auch bei älteren Kolleginnen und Kollegen steigen die Zahlen weiter an.
Neben dem stärker werden psychischen Druck spielt auch die körperliche Belastung im Weihnachtsgeschäft eine starke Rolle. So litt 2010 jede/r fünfte Arbeitnehmer/in unter Rückenproblemen. Hugendubel fordert von seinen Mitarbeiter/innen eine enorm hohe Arbeitsleistung und Flexibilität ein, ohne sich Gedanken um deren Gesundheit zu machen.
Neben dem Burn-Out Syndrom tritt das Bore-Out Syndrom immer häufiger auf. Das Bore-Out Syndrom kann in verschiedenen Formen auftreten. Es entsteht vor allem bei mentaler Unterforderung, oft bei gleichzeitiger körperlicher und psychischer Überforderung. Eine Situation die vielen Buchhändler/innen Verkauf bekannt sein dürfte.
Gute Arbeitsbedingungen und ein gutes Arbeitspensum sind Grundlage für die psychische und körperliche Unversehrtheit der Kolleginnen und Kollegen. Doch leider wird dafür bislang vom Unternehmen nichts unternommen. Um dem gesundheitlichen Verfall zumindest einzugrenzen sollten alle Kolleginnen und Kollegen rechtzeitig eine gesundheitliche Beratung einholen und sich nicht davor scheuen, sich auch im Weihnachtsgeschäft krank schreiben zu lassen.
Der Betriebsrat wird vor Weihnachten wieder alle Personalpläne und Einstellungen (dem Tarifvertrag entsprechend) detailliert überprüfen. Denn Personalpläne sind Mitbestimmungspflichtig! Wie aktuell bei H&M in Berlin kann der Betriebsrat auf Grund gesundheitlichen Bedenkens den Personalplan ablehnen. Bessert der Arbeitgeber nicht nach, so hat das Arbeitsgericht darüber zu urteilen.
Montag, 19. September 2011
Notstand – Wenn die personelle Unterbesetzung zum gesundheitlichen Risiko wird
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8 Kommentare:
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Was passiert denn, wenn der BR den Dienstpaln ablehnt, aber keine zusätzlichen Aushilfen eingestellt werden weil kein Geld dafür freigegeben wird? Bleibt der Laden dann zu?
AntwortenLöschenDas kann ich mir nicht vorstellen. Der BR kann ja nicht vorschreiben wieviele Personen eine firma zu beschäftigen hat. Er kann wohl beim Dienstplan wohl nur darauf achten dass arbeitsgesetzliche Bestimmungen eingehalten werden.
AntwortenLöschenAlles andere wäre ja leicht ("wir geben den Plan erst frei wenn 5 Aushilfen eingestellt werden") ;-)
Mit den arbeitsgesetzlichen Bestimmungen meinst Du Höchstarbeitszeit am Tag, in der Woche usw und die Mindestzeit an Pausen? Also wenn ich weltbildplusmäßig den ganzen Tag alleine mit den Kunden an Kasse und Service bin ist alles in Ordnung, so lange ich meine Pausen bekomme und zum vereinbarten Zeitpunkt gehen kann. Da hatte ich mir von dem Satz "Personalpläne sind mitbestimmungspflichtig" etwas mehr versprochen!
AntwortenLöschenDer BR hat das Recht die Personalpläne unter Angaben von Gründen abzulehnen. Siehe z.B. H&M in Berlin. Der AG muss dann jeden Monat vom Arbeitsgericht feststellen (dringliches Eilverfahren) lassen, ob eine gesundheitliche Beeinträchtigung der AN vorliegt und der Personalplan rechtens ist.
AntwortenLöschenDie Frage war aber ob der Plan einfach nicht freigegeben werden kann wenn ZUSÄTZLICHE Aushilfen nicht eingestellt werden. Wenn es der Status quo ist mit dem die ganze Zeit schon gearbeitet wird kann doch der Plan nicht urplötzlich abgelehnt werden.
AntwortenLöschenSeit Jahren werden die Ressourcen der Mitarbeiter bis zum Anschlag ausgenutzt und wie Menschenmaterial verschlissen. Das sieht man an Kleinigkeiten wie der Pausenregelung oder Urlaubsplanung. Was früher nur einige Wochen der Fall war (Schulbuch- oder Weihnachtsgeschäft) ist mittlerweile zum Prinzip geworden. Wer´s nicht packt, der kann gehen.
AntwortenLöschenIn diesem Zusammenhang käme innerhalb des BR dem Gesundheitsausschuss eine zentrale Rolle zu; ich bin mir nicht sicher, ob die Möglichkeiten genutzt werden, oder ob es sich um eine bürokratische Verwaltungsangelegenheit handelt. Wer weiss, wie es dort läuft?
Der Artikel trifft den Nagel auf den Kopf, zumindest was die Situation in einigen Berliner Filialen anbelangt.
AntwortenLöschenVielen Kollegen ist immer noch daran gelegen, den Kunden einen schönen, aufgeräumten Laden zu präsentieren und sich Zeit für jeden einzelnen zu nehmen (so wie es in der Vor-Multichannel-Ära mal in irgendwelchen Bedienungskonzepten stand). Die Besetzung ist aber mittlerweile so katastrophal, daß niemand mehr seinen Aufgaben gerecht werden kann. Das trifft wohl auf alle Ebenen zu, Buchhändler, Einkäufer, AL und selbst Filialleiter - jeder funktioniert nur noch und versucht, den Routinebetrieb aufrechtzuerhalten. Am Ende des Tages hat man mindestens drei Kundenbeschwerden über sich ergehen lassen und oft das Gefühl, nichts fertig erledigt zu haben.
Spricht man Vorgesetzte darauf an, erntet man nur ein Achselzucken oder die charmante Frage, ob man dem Job eigentlich noch gewachsen sei. Absolut zynisch wirkt im nachhinein die Ankündigung, durch die Einführung der neuen Hausorganisation und die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern (Firma "Teamwork") würden die Stammbelegschaften in den Läden entlastet.
Unter solchen Bedingungen wäre es fatal, sich zu stark mit der Arbeit zu identifizieren. Wer keine Lust auf Burn-out hat, sollte eine gesunde Distanz zum Job entwickeln.
Auch ich habe den Eindruck, daß der Krankenstand steigt (Gibt es dazu genauere Zahlen? Wäre interessant, mehr darüber zu lesen...). Der Zusammenhang mit der beschriebenen permanenten Stress-, Frust- und Überforderungssituation liegt auf der Hand. Denn zum einen kann so etwas natürlich psychosomatische Folgen haben, vor allem wenn es dann auch noch, so wie bei uns, mit dem Gefühl von Unsicherheit und Jobangst verbunden ist. Zum anderen gibt es leider auch bei einigen Kollegen zunehmend die Tendenz, eher mal zu Hause zu bleiben und sich für die Firma kein Bein mehr auszureißen. Das ist zwar im Einzelfall vielleicht verständlich, trifft aber die verbliebenen wenigen Kollegen im Laden umso härter, die es ausbaden müssen und noch weniger Zeit für ihre Arbeit haben.
Vor dem Weihnachtsgeschäft graut mir jetzt schon.
ich höre immer nur: macht mehr umsatz, dann gibts mehr personal...
AntwortenLöschenwir haben nur nicht genug verkaufende zum verkaufen. stattdessen fallen die kollegen um wie die fliegen... huch, wieder einer weniger, beißt die zähne zusammen und durch damit die kranken an weihnachten gesund und die gesunden krank sind...hurra...