Gesundheit als Ware
Die Art, wie eine Gesellschaft mit Fragen der Gesundheit umgeht, gibt einen guten Eindruck von ihrem allgemeinen Charakter. Mit welcher Relevanz und Priorität die gesundheitlichen Lebensbedingungen der Menschen geschützt werden, inwiefern alle Menschen dabei gleichermaßen bedacht werden und sich die Gesundheitsversorgung nach den realen Bedürfnissen der Menschen richtet, zeichnet ein Bild von den gegebenen sozialen und politischen Verhältnissen. Gesundheitspolitik ist dabei nicht auf den medizinischen Bereich und das Gesundheitswesen allein reduzierbar. Arbeitsbedingungen, Ernährung, Wohnverhältnisse, Bildung, der Charakter der sozialen Beziehungen, Freizeit- und Kulturverhalten und vieles weitere mehr bilden die Grundlage für die Entfaltung der physischen und psychischen Gesundheit der Menschen, im Positiven wie im Negativen.
Ökonomischer Imperativ
Im Kapitalismus muss sich der Gesundheitsschutz im ständigen Kampf gegenüber wirtschaftlichen Interessen legitimieren oder behaupten. Maßnahmen und Einrichtungen der öffentlichen Gesundheitsversorgung werden wesentlich von den Gesamtinteressen der Privatwirtschaft bestimmt oder müssen gegen sie erkämpft werden. Wachsende Teile der Versorgung werden marktwirtschaftlich zugerichtet. Die Coronapandemie hat dies in verschärfter Form vorgeführt und offenbart in drastischer Weise die gravierenden Mängel und ungelösten Probleme des gegenwärtigen Gesundheitssystems:
Klare, medizinisch begründete staatliche Handlungsstrukturen fehlen, eine solidarische Formierung aller Teile der Gesellschaft wird vor allem durch Interessen der Wirtschaft und auf Kosten der sozialen und kulturellen Infrastruktur blockiert. Tote werden von Vertreterinnen und Vertretern der Politik und Wirtschaft ganz schamlos gegen ökonomische Schäden abgewogen. Ärmere Teile der Bevölkerung sind auf Grund ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen weltweit am stärksten von der Pandemie getroffen. Der Zugang zu Impfstoffen und Medikamenten bleibt ihnen im internationalen Maßstab vielfach verwehrt. Der Schutz des Patentrechts hat höheren Rang als die umfassende Versorgung der Menschen. Insbesondere Bevölkerungen im globalen Süden gehen dabei leer aus.
Das insgesamt leistungsfähige Niveau der Gesundheitssysteme im globalen Norden wird als Überlegenheit des Systems verkauft, dabei werden weder seine Potentiale ausgeschöpft, noch ist dieses Leistungsniveau allein der Wirtschaftskraft oder medizinischen Traditionen geschuldet. Es sind vielmehr die über Jahrzehnte durchgesetzten sozialen Forderungen der Gewerkschaften und anderer demokratischer Kräfte, die Mindeststandards und eine Grundversorgung erkämpfen und durchsetzen konnten und heute permanent verteidigt werden müssen.
Es sind auch die Ärztinnen und Ärzte sowie Gesundheitsarbeiterinnen und -arbeiter aus anderen Ländern, ob im Niedriglohnbereich oder beim Fachpersonal, die zur Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens beitragen. Ihr Abzug aus wirtschaftlich schwach gehaltenen Regionen sowie die anhaltende Ausbeutung des globalen Südens verschärfen die Ungleichheit in der Entwicklung zwischen Nord und Süd.
Gerade in wirtschaftlich starken Ländern verfestigt sich der privatkapitalistische Sektor des Gesundheitswesens, werden Gesundheit und Krankheit immer mehr zur Ware und damit dem Zweck des Profits untergeordnet. In der Bundesrepublik beginnt die expandierende Kommerzialisierung insbesondere des stationären Bereichs Mitte der 1980er Jahre. Seit 1991 hat sich der Anteil privater Krankenhäuser und -betten in Deutschland erheblich erhöht. Diese allgemeine Entwicklung bekam mit der Einführung der sogenannten Fallpauschalen im Jahr 2003 zusätzlich Auftrieb.
Das damit eingeführte Abrechnungssystem hat dazu
geführt, dass über Behandlungen und Dauer des Krankenhausaufenthaltes
nicht allein nach medizinischen, sondern auch nach ökonomischen
Kriterien entschieden wird. Damit wurde die Gesundheitsversorgung nicht
auf-, sondern abgebaut. Es verstärkt sich für Patientinnen und Patienten
die Abhängigkeit vom Einkommen, der öffentliche Gesundheitsdienst wird
vernachlässigt, das Profitinteresse von Medizin- und Pharmakonzernen
erschwert eine gleichberechtigte internationale Zusammenarbeit. (...)"
Quelle. jW
Es bleibt nichts anderes übrig, als sich zu organisieren, streikfähig zu werden und über Arbeitskämpfe eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Gehälter zu erreichen. Alles andere funktioniert nicht. Und die 100 Milliarden für Rüstung sind ein Schlag ins Gesicht für alle Pflegekräfte.
AntwortenLöschenLotta Continua, du hast da was übersehen: mit Pflegekräften kann man halt keine Kriege gewinnen. Stell dir vor: wir hätten statt Soldaten Pflegekräfte nach Afghanistan geschickt - der Krieg wäre jetzt glatt verloren und die Taliban wieder an der Regierung.
AntwortenLöschenAußerdem können Politiker*innen, die so sehr damit beschäftigt sind, überall auf der Welt für Demokratie und Menschenrechte zu sorgen, nicht auch noch Rücksicht auf das eigene Volk und sein bisschen Gesundheit nehmen. Man kann ja schließlich nicht allen zugleich helfen.