Zur Gehaltssituation bei Hugendubel: Beispiel München
Dass im Mai 2022 nach fünf Jahren Tariflosigkeit in Bayern ein neuer Tarifvertrag für den Buchhandel und die Verlage abgeschlossen wurde, kam für viele Beschäftigte völlig überraschend, manche hielten es gar für Fake News. In der Tat ist nach einer so langen Zeit der Tariflosigkeit ein neuer Tarifvertrag heutzutage eher die absolute Ausnahme. Auch dass Hugendubel weiterhin tarifgebunden ist und nicht wie Thalia zu Jahresbeginn aus dem Tarifvertragssystem ausgestiegen ist, war nicht unbedingt zu erwarten.
Auch wenn angesichts der derzeitigen Lebenshaltungskosten der ein oder andere sich mehr erhofft hatte, muss man doch konstatieren, dass dies ein Erfolg der Tarifkommission und vor allem der Kolleginnen und Kollegen gewesen ist, die unverdrossen sich jahrelang an Arbeitskämpfen beteiligt haben.
Trotzdem muss man die finanzielle Situation Beschäftigten nüchtern betrachten. Auch wenn die Tarifgehälter im bayerischen Tarifgebiet weit über den Gehältern liegen, die die Hugendubel-Beschäftigten in den tariflosen Standorten mit den dortigen "Vergütungsordnungen" erhalten, bedeutet dies für die betroffenen Beschäftigten ein leben im Niedriglohnsektor, der inflationsbedingt dabei ist, in die Armutsgefährdung abzurutschen.
Anhand aktueller Zahlen des Münchener Sozialreferats lässt sich das am Beispiel der bayerischen Landeshauptstadt verdeutlichen:
Mitte Juli hatte das Sozialreferat zur Überraschung der Stadtpolitik neue Werte veröffentlicht, mit welchem Einkommen Alleinstehende und Familien in München von Armut bedroht sind. Demnach liegt die Schwelle für Ein-Personen-Haushalte nun bei einem Netto-Betrag von 1540 Euro und damit um fast 200 Euro höher als bei der bis dahin letzten Erhebung im Jahr 2017, eine Familie mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern im Alter über 14 Jahren lebt mit einem Einkommen von netto 3850 Euro an der Schwelle zur Armut. Laut dem 2017 veröffentlichten Armutsbericht lebten damals 269 000 Münchnerinnen und Münchner in relativer Armut. Mit den neuen Schwellen dürfte die Zahl nun bei etwa 300000 liegen.
2019 begann laut Arbeitsagentur in München der Niedriglohnsektor bei einem Brutto-Gehalt von weniger als 2779 Euro. Mittlerweile dürfte die Schwelle zum Niedriglohnsektor bei weniger als 3000 Euro liegen.
Das bedeutet: selbst mit einem tariflichen Entgelt arbeitet der ganz grosse Teil der Beschäftigten in München im Niedriglohnsektor - mit zunehmender Tendenz zur Armutsgefährdung.
Die Richtung ist klar: abwärts.
Ja so geht das! Wer den Kopf in den Sand steckt, wird in den Hintern getreten. Als ich im Buchhandel angefangen habe, konnte sich unser Gehalt noch halbwegs sehen lassen. Aber die Buchhändlerinnen dachten, sie seien was Besseres. Und dass so feine und gebildete Leute nichts von Gewerkschaften oder Streiks wissen wollten, versteht sich. Man wollte ja schließlich nicht in derselben Liga spielen wie gewöhnliche Arbeiter*innen. Doch dann kam irgendwann der Moment, als man hätte aufwachen, sich solidarisieren, organisieren, kämpfen hätte müssen, wie andere das auch getan haben - und wir haben ihn verpasst. Deshalb sind wir jetzt da, wo wir sind. Die meisten von uns haben sich das auch redlich verdient.
AntwortenLöschenNon cognoveris tempus visitationis tuæ.
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