"Anders als andere haben wir gelernt, unseren Alltag zu organisieren."
(Eine Kollegin, aus der trotz Kind was geworden ist)
Wenn sich jemand einen kleinen Scherz mit mir erlaubte und mir erklärte, es gebe ein altes griechisches Drama mit dem Titel "Die Rückkehrerinnen" - sagen wir von Sophokles oder Euripides - dann wäre ich erst mal reichlich verunsichert und müßte in einer Literaturgeschichte nachschlagen: ob nicht vielleicht doch! Hier freilich geht es um etwas ganz und gar Prosaisches: die Situation der Hugendubel-Kolleginnen, die nach ihrer Elternzeit zurückkehren. Aber leider artet auch dies mitunter in ein Drama aus - und die tragischen Gestalten sind immer die Frauen.
Um eines vorauszuschicken: ich behaupte keineswegs, man sei bei uns generell familienfeindlich eingestellt; meine persönlichen Erfahrungen sind völlig andere - und es wäre nicht fair gegenüber den vielen KollegInnen und Vorgesetzten, die viel Verständnis zeigen und Rücksicht nehmen, dies unerwähnt zu lassen.
Fakt aber bleibt, dass unsere Firma beim Umgang mit dem Thema kein einheitliches Bild abgibt. Auch eine allgemeine Regelung gibt es nicht; weil der Arbeitgeber bisher wenig Bereitschaft gezeigt hat, die vom Betriebsrat entworfene Betriebsvereinbarung zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verhandeln. So kommt es oft darauf an, wer gerade an wen gerät. Deshalb sollten sich beide Seiten über drei - aus Betriebsratssicht - sehr simple Sachverhalte im Klaren sein.
Erstens: Elternzeit-RückkehrerInnen sind keine Bittsteller - und auch nicht als solche zu behandeln. Sie haben ein Recht, auf ihrer alten Stelle oder zumindest zu denselben Vertragsbedingungen weiterbeschäftigt zu werden. D.h. vor allem: an ihrer tariflichen Eingruppierung darf sich nichts ändern.
Zweitens: sie haben (wie übrigens alle anderen MitarbeiterInnen auch) ein Recht darauf, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes von der Vollzeitarbeit zur Teilzeitarbeit und von der Teilzeitarbeit zur Vollzeitarbeit zu wechseln.
Zunächst also gilt: der Arbeitgeber muß ihnen ermöglichen, ihre Arbeitszeit zu reduzieren und später wieder aufzustocken. Er kann einen Antrag auf Verringerung oder Verlängerung der Arbeitszeit nicht grundlos ablehnen. Als wichtiges Kriterium dafür, ob er zur Verringerung der Arbeitszeit verpflichtet ist oder nicht, gilt die Teilbarkeit des Arbeitsplatzes; diese ist bei sogenannten Standardarbeitsplätzen (bei Stellen mit einheitlicher Stellenbeschreibung) in der Regel gegeben.
Auch leitende Positionen sind hiervon keineswegs ausgenommen.
Drittens: wer seine Arbeitszeit verringert oder verlängert, darf deshalb nicht benachteiligt werden. Niemand ist also gezwungen, einer Abruppierung oder Degradierung zuzustimmen.
Es mag nicht die Regel sein, kommt aber vor, dass die familiäre Situation der Elternzeit-Rückkehrerinnen mehr oder minder ausgenutzt wird, um ein Schnäppchen zu machen.
Den Frauen, die ihrer Kinder wegen auf bestimmte Arbeitszeiten angewiesen sind, werden die gewünschten Arbeitszeiten zwar dann gewährt; aber sie lassen sich - aus welchen Gründen auch immer - darauf ein, in anderen Positionen oder für einen geringeren Stundenlohn zu arbeiten. (Eine Einlassung übrigens, die von einigen Vorgesetzten als Zeichen höherer Einsicht und Weisheit betrachtet und sehr geschätzt wird - und den Betriebsrat, der Gleichbehandlung fordert und fordern muß, so richtig dumm und weltfremd aussehen läßt!)
Auch hierzu ist niemand gezwungen. Viele möchten in ihrer Lage einen Konflikt mit dem Arbeitgeber aber lieber vermeiden - was übrigens insofern kurios ist, als es nach Aussagen unserer Filialleiter gar keinen geben würde.
In solchen Fällen sollten die Kolleginnen zumindest keine neuen Verträge zu schlechteren Bedingungen abschließen, sondern sich mit dem Arbeitgeber auf befristete Nachträge oder Ergänzungen zum bereits bestehenden Arbeitsvertrag einigen, um nach einer vereinbarten Zeit wieder zu den vorherigen Bedingungen arbeiten zu können; was ihnen bei Hugendubel in der Regel auch ermöglicht wird.
In diesem Zusammenhang nämlich ist auf zwei ebenfalls sehr simple Beobachtungen hinzuweisen, die - offenbar auch von den betroffenen Frauen selbst - nicht immer ausreichend berücksichtigt werden:
Babys bleiben keine Babys; sie entwickeln sich weiter. Deshalb verändern sich binnen relativ kurzer Zeit die Anforderungen an die Eltern - und damit auch deren Anforderungen an ihren Arbeitsplatz.
Nicht nur Babys entwickeln sich weiter. Auch ihre Mütter erwerben als solche eine ganze Reihe neuer Fähigkeiten, die sie fähiger für ihre Aufgabe oder für neue Aufgaben im Betrieb machen können.
Gerade an diesem Punkt aber läßt die Wahrnehmung so manchen oder auch so manche schwer im Stich - und die urtümlichsten Vorurteile melden sich zu Wort. Bei Frauen wird zunächst einmal davon ausgegangen, dass die Entscheidung für die Familien eine Entscheidung gegen das Berufsleben sein müsse. Bei Männern käme man auf so eine Idee erst gar nicht.
Was es daher bräuchte, wäre oft vielleicht nur ein wenig mehr Selbstbewußtsein.
Denn Hugendubels Welt der Bücher ist keine rein männerdominierte Welt: der Frauenanteil bei den Führungskräften z.B. ist höher als der im Betriebsrat!
Wenn also Frauen hier die typischen Vorurteile den Männern überließen, hätten sie schon gewonnen.
Jürgen Horn
Es ist wirklich übel, wie oftmals mit Müttern umgegangen wird, die zurück in den Job wollen. Gerade auch bei Hugendubel. Es wird versucht die Tarifgruppe zu drücken und die Rückkehrerinnen sind unsicher und lassen sich überrumpeln oder kenne ihre Rechte nicht.
AntwortenLöschenEs ist sogar so, dass von oben gesagt wird, die Mütter kommen oft freiwillig und möchten von sich aus eine geringere TG. Das ist heftig.
Wie der Text schon sagt, wenn man gerade jetzt momentan nicht so viel arbeiten kann, weil das Kind noch klein ist, wie wird dann Situation in 1-2 Jahren aussehen? Sie wird sich verändert haben, man möchte seinen Abteilungsleiterjob u die TG zurück. Doch wie wir alle wissen, wenn man einmal was hergibt, kriegt man es nicht wieder.
Deswegen soll sich keiner einschüchtern lassen u auf seine Rechte pochen. Wenn es kein Einsehen gibt, muss eben notfalls geklagt werden.
Hugendubel hat von sich doch immer behauptet familienfreundlich zu sein. Hierbei können sie es zeigen.
Ja, genau so bin ich wieder nach einem Jahr "aufgenommen" worden. Die Tarifgruppe sollte von 3 auf 2 herabgestuft werden. Und am liebsten wäre ihnen gewesen, wenn ich gleich gekündigt hätte. So kam es mir vor. Fast 6 Monate habe ich gekämpft.... und ein Großteil meiner Elternzeit saß ich auf heißen Kohlen, weil mir niemand sagte, wie es weiter geht.
AntwortenLöschenIch rate allen Müttern die wieder anfangen wollen, kämpft und gebt nicht auf!!! Das ist Euer Recht!!!
Von Einer
die es wissen muss
Wichtiger Artikel. Danke.
AntwortenLöschenJa, sehr wichtig; und ausgezeichnet geschrieben. Besten Dank, Jürgen!
AntwortenLöschenFür fast noch wichtiger halte ich die Tatsache, dass hier ein Betriebsratsmitglied namentlich im Blog seine Meinung sagt, seine Kritik an der katastrophalen Firmenpolitik äußert:
Weiter so.
Mehr davon!
Ich finde es einen mutigen, notwendigen und auch überfälligen Schritt, daß sich ein Betriebsratmitglied offen hinter unseren ver.di-Infoblog stellt. Dafür ein meinen Respekt und Dank den Kollegen Horn!
AntwortenLöschenIch weiß als Normal-Leser jetzt nicht, wie der Blog organisiert ist und wer schreibt - angesichts der Anzahl der Artikel, der unterschiedlichen Themen und Stile dürfte es keine kleine Gruppe sein. Ich hoffe allerdings, daß möglichst viele BetriebsrätInnen - insbesondere die gewrekschaftsmitglieder - sich rege daran beteiligen und auch im Unternehmen dazu stehen.
Ein sachlicher Artikel, der klar Position bezieht und sich erfreulich von manch gelegentlich schrillen Beiträgen hier abhebt.
AntwortenLöschenMich würde mal interessieren, welche Arbeitszeiten die wieder
AntwortenLöschenin den Beruf einsteigenden Mütter denn bekommen.
Habe erfahren, dass in manchen Filialen das schon fast
ausgenützt wird und nur Abendschichten und/Oder Samstage angeboten werden.
Was habt ihr (die Mamis) denn für Erfahrungen damit gemacht?
In unserer Filiale müssen die Kollegen mehr spät schichten machen da eine Mitarbeiterin ein kleines Kind hat. sie darf nur früh machen. aber wir machen es gerne. irgendwann wird das Kind auch älter, dann wird sie wieder spät arbeiten.
AntwortenLöschenWas hat es denn mit dem "Starfamily"-Konzept auf sich, das von der Firma angeboten wird? Hat hier jemand Erfahrungen gemacht?
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