Einkaufen im Internet verändert Arbeitsplätze, Gewohnheiten und Kunden
Ein Verdi.publik-Artikel von Geraldine van Gogswaardt
Es ist kurz vor Mitternacht, ich surfe mit meinem Laptop durchs Internet. Ich suche ein Sommerkleid für den Urlaub und Sandalen dazu. Ein dicker Schmöker darf auf der Reise nicht fehlen. Und der Mietwagen, mit dem ich die Insel erkunden will, auch nicht.
Langsam klicke ich mich durch vielversprechende Online-Shops. Ladenschluss gibt es hier nicht. "Viele Unternehmen betreiben neben ihren stationären Läden auch Online-Shops und erreichen dort andere oder auch die gleichen Kunden", sagt Ulrich Dalibor, ver.di-Bundesfachgruppenleiter für den Einzelhandel.
Die Gesellschaft für Konsumforschung prognostizierte für 2011 rund 38 Millionen Online-Käufer in Deutschland. Durch Online-Shopping fallen Arbeitsplätze im Einzelhandel weg. Andere verändern sich. In den Verteilungszentren werden wiederum neue geschaffen, zum Beispiel bei Amazon. Postdienste, die die Waren zustellen, erleben einen Boom.
"Auch im Internethandel ist fehlender Umsatz das Problem für die Arbeitsplätze", sagt Ulrich Dalibor. "Die Arbeitgeber machen keine Personalplanung, sie legen eine Quote für die Personalkosten fest: höchstens fünf oder zehn Prozent. Wenn die Quote festgelegt ist, sieht man schnell, ob zu viel oder zu wenig Personal eingestellt ist." Dieser Druck lastet auf den Beschäftigten. Viele Unternehmen nutzen für den Vertrieb ihrer Ware ausschließlich das Internet und zahlen so lediglich für das Lager, nicht mehr für den klassischen Verkauf.
Auf den Seiten finde ich Kleider über Kleider, die geradezu danach schreien, getragen zu werden. Ähnlich bei den Sandalen: Dreidimensional und mit Musik preisen die Händler sie an. Per Mausklick werfe ich alles, was mir spontan gefällt, in die Warenkörbe. Und verliere den Überblick: Wo in dem riesigen Netz des Online-Shoppings bin ich? Auf welchen Seiten war ich schon? Wo habe ich dieses oder jenes Produkt gesehen? Passt mir das alles überhaupt?
Brautschuhe ohne Ende
"Bestell dir doch zwei Größen", rät meine Freundin. Das habe sie auf der Suche nach Brautschuhen auch gemacht. "Da stapelten sich plötzlich Schuhkartons ohne Ende im Flur", sagt sie. Dann habe sie in Ruhe anprobiert und problemlos und kostenfrei zurückgeschickt, was nicht passte. "Da ich alles auf Rechnung bestellt hatte, musste ich nur das Paar bezahlen, das ich behalten habe."
Ich entscheide mich für ein Paar Sandalen und habe beim Bezahlen mehrere Möglichkeiten. Laut Trusted Shops, einem der Gütesiegel für Online-Shops in Europa, ist es am sichersten, den Kaufpreis nach Rechnungseingang zu begleichen, per Lastschriftverfahren oder per Kreditkarte mit 3D Secure Verfahren. Mit dem von Visa entwickelten Authentifizierungsverfahren soll Betrug vermieden werden. Der Karteninhaber registriert sich bei seiner Bank, je nach Kreditkarte für Verified by Visa oder für MasterCard Secure Code, und erhält sein persönliches Passwort. Beim Bezahlen gibt er seine Kartennummer ein, dann erscheint die Website der Hausbank, auf der der Karteninhaber sein persönliches Passwort einträgt. Die Bank verifiziert das Passwort und gibt die Transaktion frei. Händler und Karteninhaber haben so Gewissheit über die Identität des Anderen.
Sicherheit geht vor
Etwas weniger sicher ist das Bezahlen mit der Kreditkarte oder per Nachnahme. Bei letzterem bezahlt man bei Auslieferung der Ware und bekommt eine Quittung. Doch enthält das Paket tatsächlich die bestellte Ware und ist sie fehlerfrei? Zahlt man mit Kreditkarte, sollte auf verschlüsselte Verbindungen bei der Kontodaten-Übermittlung geachtet werden, erkennbar am https der aktuellen Webadresse und einem Vorhängeschloss im Browser. Nach dem Online-Kauf, so die Stiftung Warentest, sollte man sich über die dafür vorgesehen Buttons ausloggen und die Website des Anbieters schließen, damit kein Unbefugter die Sitzung übernehmen kann.
Von der Bezahlmethode per Vorauskasse rät Trusted Shops ab. Das im Voraus gezahlte Geld könne schwierig zurückzuholen sein, wenn die Ware beschädigt ist oder gar nicht geliefert wird. Und: Wer im Internet handelt, sollte darauf achten, dass die vollständige Firmenadresse mit Kontaktmöglichkeiten angegeben ist. Auch ein Gütesiegel hilft, Klarheit zu schaffen. In Deutschland haben sich TÜV Süd, E-H-I und Trusted Shops etabliert. Vorm Kauf sollte man überprüfen, ob der Online-Händler tatsächlich beim Siegelanbieter gelistet ist.
Es gibt alles, nur keine Verkäufer
Ich kaufe Sandalen auf Rechnung. Beim Kleid gebe ich auf: Das Modell meiner Wahl kann ich nicht bestellen, weil die Firma nicht nach Europa liefert. Hätte die Website das nicht eindeutig ausweisen können? Ein Nachteil des Online-Shoppings. "Den Kundenkontakt, der beim Verkäufer im Laden im Vordergrund steht, gibt es online nicht. Der Kunde ist ja nur virtuell", so Dalibor.
Bleiben noch die Urlaubslektüre und der Mietwagen. Bücher belegen Platz eins der meistgekauften Ware im Internet. Gefolgt von Karten für Kino und Theater, Flug- und Bahnreisen, Hotelreservierungen, Mode oder Schuhe und Musik. Ich weiß, welches Buch ich will. Gesucht und gefunden, handele ich nach dem Motto "Weniger ist mehr": Sparsam gebe ich Auskunft über mich selbst. Der Shopbetreiber fragt nach meinen Kontodaten, obwohl meine Bestellung auf Rechnung geliefert werden soll. Ich gebe die Daten nicht preis; für die Bestellung sind sie nicht notwendig. Anders bei der Reservierung des Mietwagens. Hier werde ich gebeten, mein Alter und meine Führerscheinklasse online zu hinterlegen, um die Wartezeit am Schalter beim Abholen des Autos zu verkürzen. Ich zahle per Kreditkarte; belastet wird sie, wenn ich mit dem Auto über die Insel düse.
Es ist ein Uhr nachts, meine Augen sind müde, ich melde mich aus allen Online-Shops ab. Mein Fazit: Bestimmte Einkäufe kann ich im Netz gut erledigen. Bei anderen gehe ich lieber ins Geschäft und freue mich, von einem Menschen begrüßt und beraten zu werden.
zum Thema:
AntwortenLöschenAmazon-Analyse "Gigant ohne Geist: Kollaps der Buchkultur" (ZEIT 35/2012, jetzt online):
http://www.zeit.de/2012/35/Verlag-Buchhaendler-Amazon
zum Beispiel:
"schafft Amazon schon mal Fakten. Stück um Stück breitet es sich in den einzelnen Segmenten des deutschen Buchmarktes aus. Den Online-Buchhandel dominiert es, und auch beim E-Book-Verkauf gibt es niemanden, der an Amazon heranreicht – fast 60 Prozent werden über die Plattform verkauft. Der große Verlierer der elektronischen Revolution sind die Buchhandlungen. Kleine, in ihrer Nachbarschaft vernetzte Buchhändler behaupten sich noch gut. Sie leben vom Vertrauen ihrer Kundschaft und von deren Solidarität. In die kleinen Buchhandlungen geht, wer die beste persönliche Beratung sucht.
Es sind vor allem die Großen der Branche, die Amazons Expansion besonders hart trifft. Dutzende Filialen der großen Buchhandelsketten mussten zuletzt schließen. Beispielhaft ist der Fall der repräsentativsten Hugendubel-Filiale in Berlin, in Premium-Lage, gleich neben dem Ku’damm 1997 eröffnet, lange mit gesunden Umsatzzahlen – und seit März dieses Jahres verschwunden.
In den nächsten Jahren wird es aller Voraussicht nach noch schlimmer kommen. Denn auch die Wachstumsraten auf dem E-Book-Markt werden zulasten der Buchhandelsketten gehen. Entsprechend reserviert reagieren sie gerade auf Presseanfragen. Hugendubel möchte lieber gar nichts sagen, Thalia antwortet nur schriftlich."
Klar, ist doch auch ein legitimes Mittel. Würde ich auch auch nicht anderes machen!
AntwortenLöschen