Donnerstag, 2. Juni 2022

Wer dreht hier eigentlich an der Lohn-Preis-Spirale?

 Von Mäßigungen bei Preiserhöhungen hört man nie

Archimedische Spirale – Wikipedia

Angesichts explodierender Preise wird vermehrt vor einer "Lohn-Preis-Spirale" gewarnt – vom neuen Sonderberater des Finanzministers Christian Lindner, FDP, und früheren Wirtschaftsweisen Lars Feld bis hin zum Arbeitgeberpräsiden-ten Rainer Dulger. Gemeint ist ein Aufschaukeleffekt zwischen Preiserhöhungen auf der einen und Lohnsteigerungen auf der anderen Seite. Regelmäßig bleibt bei diesen Warnungen allerdings unerwähnt, dass es für Preis-Lohn-Spiralen immer zwei Akteure braucht. Dennoch sind es vor allem Unternehmer und neoliberale Ökonomen, die die Situation (aus)nutzen, um quasi vorbeugend die Gewerkschaften schon mal zu ermahnen, nun bloß keine zu hohen Lohnforderungen zu stellen oder gar durchzusetzen. 

Eine Forderung nach Mäßigung bei Preiserhöhungen und damit Gewinnen der Unternehmen hört man praktisch nie – trotz konstant hoher Dividendenzahlungen auch in diesem Jahr. Von den Löhnen ging bislang sogar alles andere als eine preistreibende Wirkung aus. Nicht zuletzt wegen Schwierigkeiten, unter Pandemiebedingungen umfassende Tarif- und Streikbewegungen organisieren und durchführen zu können, lag im letzten Jahr die durchschnittliche Lohnsteigerung sogar unter der Inflationsrate.


Deshalb sind jetzt in erster Linie die Unternehmen gefordert, zurückhaltend bei Preiserhöhungen zu sein. Bei den Löhnen besteht wegen der Reallohnverluste im letzten Jahr sogar erst einmal Nachholbedarf. Deshalb ist es das klare Ziel von ver.di in den anstehenden Tarifrunden, die Realeinkommen der Beschäftigten zu sichern. Um die Tarifpolitik in dieser extremen Situation nicht zu überfordern, ist aber auch die Politik gefordert. Sie muss vor allem die Bürger*innen mit kleinem Geldbeutel angemessen entlasten.

Ein solches Zusammenwirken von Politik und Tarifpolitik würde die Realeinkommen der Beschäftigten und damit die Kaufkraft sichern – was nicht nur notwendig für's Portmonee, sondern auch gut für Unternehmen und Arbeitsplätze wäre.

 

Autor: Norbert Reuter, Leiter der tarifpolitischen Grundsatzabteilung bei ver.di

Quelle: ver.di-Publik

2 Kommentare:

  1. Entlasten? Erleichtern werden sie uns! Erst ist die Pandemie der Vorwand, dann ein Krieg, den wir nicht gewollt haben und der uns nichts angeht, und demnächst wahrscheinlich mal wieder die gelbe Gefahr.

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  2. Das ist ja alles ganz richtig! Aber dann wieder diese Forderungen. Die erste richtet sich an die Unternehmen: "Deshalb sind jetzt in erster Linie die Unternehmen gefordert, zurückhaltend bei Preiserhöhungen zu sein." - Und ist wie immer ein Stoßgebet ohne Vorschlag zur politischen oder juristischen Durchsetzung (wie z.B. durch Preisbindung, Sondersteuern, Enteignung, Guillotine etc.). Der zweite geht in Richtung der Politik: "Um die Tarifpolitik in dieser extremen Situation nicht zu überfordern, ist aber auch die Politik gefordert. Sie muss vor allem die Bürger*innen mit kleinem Geldbeutel angemessen entlasten." - Und das läuft aufgrund der fehlenden Durchsetzungsmöglichkeit bzw. -bereitschaft bei der ersten Forderung dann natürlich wieder auf staatliche Transferleistungen hinaus, durch die die überzogenen Profite der Unternehmen unangetastet bleiben.

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