ver.di kritisiert Pläne der katholischen Kirche zum Arbeitsrecht als verpasste Chance zur Erneuerung und fordert gleiche Rechte für Kirchenbeschäftigte
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) übt deutliche Kritik am heute veröffentlichten Entwurf für eine neue Grundordnung der katholischen Kirche. „Der Entwurf bleibt weit hinter dem zurück, was dringend erforderlich wäre, um den rund 700.000 Beschäftigten allein bei der Caritas endlich umfassende Rechte einzuräumen. Die Arbeit von Erzieherinnen und Erziehern, von Kranken-, Alten- und Heilerziehungspflegern, Sozialarbeitern, Notfallsanitätern, Ärztinnen und Ärzten sowie all den anderen wichtigen Berufen bei der katholischen Kirche und der Caritas unterscheidet sich nicht von der Arbeit bei staatlichen Trägern oder weltlichen Wohlfahrtsverbänden. Die Sonderrechte, die der Staat den kirchlichen Arbeitgebern zubilligt, gehören abgeschafft“, sagte Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand.
„Wir schreiben das Jahr 2022 und die Kirchenspitze will fundamentale Rechte der Beschäftigten offenbar noch immer nicht respektieren.“ Die Aushandlung von Tarifverträgen auf Augenhöhe sei weiterhin nicht vorgesehen und auch das Grundrecht auf Streik werde den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern abgesprochen. Auch in Fragen der Glaubens- und Meinungsfreiheit könnten Beschäftigte weiterhin von ihrem Arbeitgeber sanktioniert werden – bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes. Explizit ist dieser beispielsweise vorgesehen, wenn Beschäftigte aus der katholischen Kirche austreten. „Nach der sehr eindrucksvollen Aktion #OutInChurch drängt sich der Eindruck auf, dass die Spitze der katholischen Kirche immer nur so viel Veränderung zugesteht, wie es unter dem öffentlichen Druck sein muss“, sagte Bühler mit Blick auf die Proteste gegen die Diskriminierung von Kirchenbeschäftigten aufgrund ihrer sexuellen Orientierung. „Echter Reformwille ist nicht zu erkennen.“
„Das kirchliche Arbeitsrecht ist längst nicht mehr zeitgemäß. Doch statt eine Modernisierung einzuleiten, beharren die Verantwortlichen auf dem arbeitsrechtlichen Sonderweg und missbrauchen diesen sogar noch aus egoistischen Motiven“, so Bühler weiter. Noch sehr präsent sei die Blockade eines flächendeckenden Tarifvertrags für die Altenpflege durch die Arbeitgeber der Caritas. „Damit haben sich diese zum Steigbügelhalter kommerzieller Konzerne gemacht, deren Geschäftsmodell auf Niedriglöhnen und schlechten Arbeitsbedingungen basiert.“
Auch als Reaktion darauf haben SPD, Grüne und FDP die Anpassung des kirchlichen an das staatliche Arbeitsrecht erstmals im Koalitionsvertrag zum Thema gemacht. „Ich kann den Kirchen nur raten, endlich selbst echte Reformen zu beschließen, solange sie das Heft des Handelns noch in der Hand haben“, sagte Bühler. Dazu gehöre die Abkehr vom sogenannten Dritten Weg, bei dem Löhne und Arbeitsbedingungen ohne Transparenz und ohne aktive Beteiligung der Beschäftigten in kircheninternen Arbeitsrechtlichen Kommissionen festgelegt werden.
„Dadurch bleiben hunderttausende Kirchenbeschäftigte bei tariflichen Auseinandersetzungen um Aufwertung und Entlastung außen vor, wie zuletzt im kommunalen Sozial- und Erziehungsdienst“, erklärte die Gewerkschafterin. „Während die Beschäftigten im öffentlichen Dienst Verbesserungen hart erkämpfen müssen, übernimmt man auf dem kirchlichen Weg dann die Ergebnisse und behauptet, es seien keine Streiks nötig. So entzieht sich die Kirche ihrer Verantwortung und schwächt die Bewegung für bessere Bedingungen im Sozial- und Gesundheitswesen.“
Die Alternative dazu seien zwischen Gewerkschaft und Arbeitgebern auf Augenhöhe ausgehandelte Tarifverträge – inklusive der Möglichkeit, den eigenen Forderungen in Arbeitskämpfen Nachdruck zu verleihen. „Dass das auch in kirchlichen Einrichtungen gut funktioniert, zeigen Beispiele aus der Diakonie oder der evangelischen Kirche in Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Hessen, Baden-Württemberg und anderswo. Diesen Weg in die Zukunft sollte auch die katholische Kirche endlich beschreiten.“
Quelle: ver.di-Pressemitteilung vom 30. Mai 2022
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