Freitag, 16. März 2012

Schramm for President

Zur Bundespräsidentenwahl

Am kommenden Sonntag wählt die All-Parteien-Koalition aus CDU/CSU/FDP/SPD/GRÜNE, der wir bereits Hartz 4, die Rente mit 67 und den Afghanistan-Krieg verdanken,  ihren  Bundespräsidenten.
Anlaß genug für die Infoblog-Redaktion, einen Rückblick auf die bisherigen Staatsoberhäupter zu werfen, die aktuell zur Wahl stehenden KandidatInnen kritisch zu durchleuchten  - und einen Gegenvorschlag zu präsentieren.


Hand hoch zum Ermächtigungsgesetz:  die BRD-Bundespräsidenten

Das fing ja schon gut an:  Der Erste stimmte als Reichstagsabgeordneter Hitlers Ermächtigungsgesetz zu (Theodor Heuss). Der Vierte war NSDAP-Mitglied und saß später hoch auf dem gelben Wagen (Walter Scheel). Der Fünfte war sowohl SA- wie auch NSDAP-Mitglied und wanderte bis zur Besinnungslosigkeit durch Deutschland (Karl Carstens). Der Sechste wurde gefeiert, weil er vierzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg eigentlich eine Selbstverständlichkeit aussprach - nämlich daß der 8. Mai 1945 ein Tag der Befreiung gewesen sei (Richard v.Weizsäcker). Daß er in den Nürnberger Prozessen seinen Vater Ernst v. Weizsäcker, SS-Brigadeführer und Staatssekretär im NS-Außenministerium verteidigte, ist hingegen weniger bekannt. Der Siebte wollte den Sozialstaat mit einem Ruck einreißen (Roman Herzog). Der Neunte war nicht nur Sparkassenpräsident, sondern sorgte als Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) dafür, daß viele Länder Afrikas dem neoliberalen Regime unterworfen wurden (Horst Köhler).  Und der Zehnte? Nun ja...

Eigentlich gab es nur einen Lichtblick in dieser nicht besonders sympathischen Reihe:  den linksliberalen Gustav Heinemann, der von 1969 bis 1974 Bundespräsident war. Von ihm stammt der schöne Satz:
„Ich liebe nicht den Staat, ich liebe meine Frau.“



Der falsche Präsident

Albrecht Müller nennt in seinem eben erschienenen Buch "Der falsche Präsident" die politischen Felder, wo Joachim Gaucks Vorstellungen und Rolle problematisch sind, zum Beispiel:


■ Er sieht nicht, dass unter dem Einfluss der neoliberalen Ideologie die Systemveränderung, vor der er ständig warnt, schon eingetreten ist. Zerstörerisch und menschenverachtend ist sie. Gauck findet nahezu alles gut und lässt sich in Position gegen jene bringen, die sich empören. Seine Botschaft ist Empört euch nicht! Damit bricht er dem aufkeimenden Protest die Spitze ab.

■ Gauck glaubt in fast schon naiver weise an die Weisheit der „Märkte“. Von den notwendigen Regeln weiß er wenig.

■ Wie sehr die Macht der Finanzwirtschaft schon die von ihm bewunderte Demokratie aushebelt, blendet Gauck aus.

■ Er hat ein sehr enges Verständnis von Sozialstaatlichkeit und hat auch nicht in sich aufgenommen, welche große Bedeutung die soziale Sicherheit für das Erlebenkönnen von Freiheit hat.

■ Dieses Defizit hat etwas damit zu tun, dass sich der kommende Bundespräsident offenbar nur sehr schlecht in die Lage von Menschen versetzen kann, denen es nicht so gut geht.

■ Er redet immer den Schwachen ins Gewissen. – Wann stellt er sich erstmals gegen die Mächtigen, vielleicht sogar gegen den publizistischen Mainstream?

■ Joachim Gauck neigt dazu, Popanze aufzubauen. Nicht jeder, der gegen die Spekulation auf den Finanzmärkten, gegen Klimawandel, gegen die weitere Nutzung der Atomenergie kämpft und sich grundlegende Gedanken macht, will die DDR wieder haben.

■ Der kommende Präsident wird von der Beteiligung an Kriegen nicht abraten. Er pflegt tief sitzende Vorbehalte gegen die Friedensbewegung und andere Appeasement-Politiker. Das muss man aus der Lektüre seiner Texte leider schließen. Hier ist eine Revision besonders dringlich.

Quelle: www.nachdenkseiten.de/?p=12460#more-12460
Die Nachdenkseiten sind ein äußerst lesenswerter Blog, der sich kritisch mit der medialen Aufbereitung politischer Themen beschäftigt.Die Infoblog-Redaktion bedankt sich bei den Nachdenkseiten für die freundliche Genehmigung zum Abdruck des Textes.



Alternativlos?  Keineswegs!

Die Partei Die Linke präsentiert als Gegenkandidatin Beate Klarsfeld. Sie ohrfeigte 1968 den CDU-Bundeskanzler Kiesinger wegen dessen Nazi-Vergangenheit. Allein ihre Aufstellung ist ein wichtiges Signal gegen die nazistische Kontinuität der BRD-Nachkriegsgesellschaft und aktuelle neonazistische Tendenzen.
Die mediale Hysterie um die 2000 Mark, die sie angeblich von der SED bekommen hat, zeigt, daß ihre Kandidatur einen Nerv getroffen hat. Wirklich bedenklich an der Kandidatin Klarsfeld ist nicht die lächerliche Stasi-Hysterie, sondern vielmehr die Tatsache, daß sie in Frankreich politisch Sarkozy unterstützt und sogar einen Angriffskrieg gegen den Iran befürwortet.

Der bei der Linkspartei ebenfalls im Gespräch gewesene Sozialwissenschaftler Christoph Butterwegge wäre auch ein brauchbarer Kandidat gewesen: es gibt wenige Wissenschaftler, die so konsequent gegen den neoliberalen Mainstream eingetreten sind wie er. Allerdings verfügt er leider über kein allzu großes Charisma.

Die Infoblog-Redaktion macht deswegen einen - symbolischen - Gegenvorschlag. Wo ein Herr Gauck meint, die Occupy-Bewegung als "albern" denunzieren zu müssen, tritt unser Kandidat dort als Redner auf:



Georg Schramm for President!






4 Kommentare:

  1. Wie immer ein sehr guter Artikel - Danke!
    Hier noch der Link zur Antrittsrede von Schramm im Garten von Schloss Bellvue wenn er Bundespräsident wäre....
    http://www.youtube.com/watch?v=rpU-9N0EhOM

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  2. Schramm war kurzzeitig bei Linkspartei und Piraten im Gespräch. Auch einige Initiativen im Internet gab es für ihn.

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  3. Man kann es sich so gut vorstellen:

    Schramm öffnet als erstes den Park von Bellevue den Occupy-Aktivisten, die dort ihre Zelte aufschlagen. Essen&Trinken gratis, bezahlt von Schramm mit seinem eigenen Geld. In der kälteren Jahreszeit dürfen die Aktivisten dann im Westflügel von Bellevue wohnen.

    Wenn die Grünen die Bundeswehr mal wieder zu einer ihrer blutigen "Friedensmissionen" schicken wollen, verweigert Schramm die Unterschrift.

    Die Christdemokraten mahnt Schramm in einer Strafpredigt, endlich vom Götzen Kapital zu lassen und sich wieder auf die Grundsätze der christlichen Soziallehre zu besinnen: "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr..."

    2014 hält Schramm dann im Willy-Brandt-Haus der SPD die Jubiläumsrede: er erinnert an das 100-Jahre-Jubiläum des Verrats an der internationalemn Arbeiterklasse durch Bewilligunmg der Kriegskredite durch die SPD-Reichstagsfraktion. Er erinnert auch an die politische Rückendeckung der Ermordung von Luxemburg und Liebknecht durch Noske und Ebert, an die Berufsverbote und Notstandsgesetze unter Brandt, und last but not least den bisher aggressivsten Angrif auf den Sozialstaat durch Schröder, Clement, Müntefering und Riester.

    Linkspartei? Den dort vor allem im Osten zahlreich vertretenen "Regierungssozialisten", die für einen Ministerposten sofort jedes Grundsatzprogramm über Bord werfen, würde er kräftig die Leviten lesen.

    Und die FDP?
    Die hat Hausverbot.

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  4. Gauck bezeichnet sich als Antikommunist, weil sein Vater von den Sowjets nach Sibirien geschickt worden sein. Hier steht, warum:

    "Seine Eltern waren glühende Nationalsozialisten. Wie in Medien berichtet wird, war seine Mutter schon 1932 in die NSDAP eingetreten. Sein Vater war hauptamtlicher Funktionär der Partei, später diente er mit dem Dienstgrad »Kapitän zur See« in der Kriegsmarine. Seine Verurteilung – so heißt es – hänge mit der Erschießung Kriegsgefangener zusammen. Die Akten darüber müssen sich bestimmt in einem russischen Archiv finden lassen."

    Aus: junge Welt, 17./18.3.2012

    www.jungewelt.de/2012/03-17/027.php?sstr=

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