Zur Gehaltsentwicklung bei Hugendubel
Vor dem Hintergrund des seit sieben Monaten
andauernden Tarifkonfliktes und der am Dienstag von der
Hugendubel-Geschäftsführung verkündeten „freiwilligen Tariferhöhung“ von 5,5%
ist eine Analyse der langfristigen Lohnentwicklung bei Hugendubel notwendig, um
aktuelle Entwicklungen richtig einordnen zu können. Die hier getroffenen
Aussagen beziehen sich auf das bayerische Tarifgebiet bei Hugendubel.
Das Statistische Bundesamt veröffentlichte
kürzlich eine Übersicht über die Lohnentwicklung anhand von 60 verschiedenen
Berufen zwischen 2014 und 2022. Bei dem großen Hauptteil der untersuchten
Berufsgruppen konstatierte man eine Gehaltserhöhung zwischen 20% und 25%.
Bei Hugendubel verdiente man 2014 in der TG II
als Buchhändler*in 2164 EUR brutto. 2022 waren es 2320 EUR brutto. Das sind
knapp 8% Lohnzuwachs innerhalb des untersuchten Zeitraumes von neun Jahren.
Durch diese langfristige negative Tendenz im Buchhandel ist es auch zu
erklären, wie es dazu kommen konnte, dass der Einzelhandel mittlerweile um ca. 500 - 800 EUR
davongezogen ist. Konkret: an der Kasse von Penny verdient man aktuell vom
ersten Tag an 17,48 EUR pro Stunde brutto, das sind monatlich bei einer 37,5
Std. Woche 2849 EUR brutto , was der TG IV Stufe 5 im aktuellen
Buchhandels-Entgelttarif entspricht.
Wichtig bei der Analyse des Gehaltsniveaus ist
immer die Entwicklung der Reallöhne, d.h. der Zusammenhang von Lohnerhöhung und
Inflationsrate. Hier lässt sich für die BRD zwischen 2018 und 2023 folgende
Inflationsentwicklung beobachten:
2018: 1,8%
2019: 1,4%
2020: 0,5%
2021: 3,1%
2022: 7,9%
2023: 5,9 %
Der Zeitraum von 2018 bis 2023 wurde gewählt,
weil er sich gut mit dem Zeitraum des 2022 in Kraft getretenen Tarifabschlusses
vergleichen lässt, der ebenfalls den Zeitraum von 2018 bis 2023 umfasst.
Hier wurde zwischen dem bayerischen
Arbeitgeberverband Buchhandel/Verlage und der ver.di-Tarifkommission eine
Lohnerhöhung von 4,9% verhandelt. Das entspricht im genannten Zeitraum einer
jährlichen Gehaltserhöhung von 0,98%. Vergleicht man diese Zahl mit den oben
genannten Inflationsraten, so ergeben sich bis auf das Jahr 2020 mit einer
Inflationsrate von 0,5% für die Beschäftigten jedes Jahr Reallohnverluste von
0,4% (2019) bis zu 5,9% (2022).
Die Verhandlungen in der Tarifrunde 2022 wurden
vom klaren Bekenntnis der Arbeitgeberseite begleitet, in künftigen Tarifrunden
das Einkommens-Gap vor allem der im Buchhandel Beschäftigten Schritt für
Schritt abzubauen. Davon ist in der aktuellen Tarifrunde absolut nichts zu
erkennen. Ganz im Gegenteil.
Da der aktuelle Entgelttarifvertrag am 31.März
2023 endete, liegen zwischen dem 1. April 2023 und dem 31. Oktober 2023 sieben
Nullmonate. Dieses Geld hat sich Hugendubel schon mal gespart.
Es entspricht einer seit Jahren um sich
greifenden Unsitte auf Kapitalseite, nach dem Auslaufen eines
Entgelt-Tarifvertrages nicht einen unmittelbar folgenden Tarifabschluss zu
realisieren, sondern mit Nullmonaten die Beschäftigten erst einmal hinzuhalten.
Das widerspricht dem Geist des Tarifvertragssystems und unterhöhlt dessen
Grundprinzipien. Es ist natürlich auch eine Machtfrage, inwieweit die
Beschäftigten sich dies bieten lassen bzw. mit der realen Drohung eines
Arbeitskampfes ein solches Verhalten erst gar nicht aufkommen lassen.
Betrachten wir die angekündigten 5,5% der
Hugendubel-Geschäftsführung etwas näher. Diese Erhöhung soll ab dem 1. November
2023 gezahlt werden. Eine Einordnung der Lohnerhöhung von 5,5% ist derzeit aber
gar nicht möglich, da nicht bekannt ist, für welchen Zeitraum denn diese Erhöhung
überhaupt gedacht ist. Das ist nämlich immer die Schlüsselfrage.
Betrachten wir die Reallohnentwicklung von 2018
bis 2023 – also die Lohnsteigerungen zusammen mit der Inflationsrate – dann
ergibt sich ein Reallohnverlust von knapp 9%. Dies ist umso schwerwiegender, da
sich ein Großteil der Beschäftigten bei Hugendubel im Niedriglohnsektor
befindet. Dieser lag 2018 laut Auskunft der Agentur für Arbeit in München bei
2779 EUR in München. 2023 wird dieser voraussichtlich bei ca 3000 EUR liegen,
mit in Zukunft steigender Tendenz.
Das Stichwort Zukunft weist noch auf einen
anderen Punkt hin, der für die Hugendubel-Beschäftigten eine schlimme
Perspektive bereithält: nämlich der Zusammenhang von Lohn und Rente. Denn wer
in der Gegenwart sich im Niedriglohnsektor befindet, wird im Alter in der
Altersarmut landen.
Wahrheit ist immer konkret, sagte mal ein
bedeutender Mann, daher auch hier konkrete Zahlen: wer eine Rente von 1000 EUR
haben will, muss laut Statistischem Bundesamt 40 Jahre in Vollzeit ohne
Unterbrechung monatlich 2844 EUR brutto verdienen, wer gar 1200 EUR Rente haben
möchte, der benötigt 40 Jahre lang monatlich 3413 EUR.
Fassen wir zusammen: die Beschäftigten von
Hugendubel haben, was ihr Gehalt betrifft, einen jahrzehntelangen Sinkflug
hinter sich, der jetzt inflationsbedingt in den freien Fall übergegangen ist.
Die Gehaltserhöhung von 5,5% ist vollkommen
unzureichend.
Weitere Arbeitskämpfe sind notwendig und müssen
entschlossen geführt werden.
5,5 % mehr, soll ich jetzt vor Dankbarkeit auf die Knie fallen? Das reicht hinten und vorne nicht... Das bekommen übrigens alle anderen im Handel auch schon mal so hingeschmissen... Erbärmlich wie die Arbeitgeberseite versucht die Beschäftigten zu verarschen. Andere Worte fallen mir da leider nicht mehr ein...
AntwortenLöschenVielen, lieben Dank für diese aufschlussreichen Daten und die hierfür erarbeiteten Recherchen; dieser Text sollte als Antwort auf die Mitteilung der Geschäftsleitung zur freiwilligen Tariferhöhung zumindest in Bayern an jedes Schwarze Brett des Betriebsrats gehängt werden!
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