Mittwoch, 3. August 2011

Endstation Praktikant?

Der Trend geht in Richtung: Reguläre Jobs durch Praktika ersetzen.
Immer mehr Firmen stellen PrakikantInnen an und lassen diese unbezahlt voll mitarbeiten. Die Unternehmen profitieren im hohen Maße von den äußerst leistungswilligen, qualifizierten und flexiblen Mitarbeitern. Sie nutzen die Berufseinsteiger aus, indem sie kein Gehalt zahlen.

Praktika nach dem Studium sind zum Normalfall geworden. Das geht aus einer Studie im Auftrag der DGB-Jugend und der Hans-Böckler Stiftung hervor.


Danach schließen 37 Prozent der HochschulabsolventInnen ein Praktikum an, elf Prozent sogar ein zweites. Die Hälfte der Praktika ist unbezahlt. Durchschnittlich dauern die Praktika sechs Monate, zwei Drittel der Praktikantinnen und Praktikanten werden in dieser Zeit finanziell von ihren Eltern unterstützt, 40 Prozent müssen sich über einen Nebenjob finanzieren.
Die Hälfte der Befragten gab an, dass ihre Arbeit fest in der Unternehmensarbeit eingeplant war, lediglich bei 32 Prozent stand das Lernen im Vordergrund. Nur rund ein Drittel der Absolventinnen und Absolventen erhielt im Anschluss ein, wie auch immer geartetes, weiteres Beschäftigungsangebot.

Ingrid Sehrbrock (Vize-Chefin des DGB) sieht „dringenden politischen Handlungsbedarf“. Sie forderte die Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf, aus der anstehenden Anhörung zum Thema Praktika politische Konsequenzen zu ziehen. „Sorgen Sie dafür, dass Praktika wieder einen guten Ruf bekommen, als Zeit des Lernens und der beruflichen Orientierung. Arbeit dagegen muss angemessen entlohnt werden und berufliche Perspektiven bieten. Praktika müssen gesetzlich eindeutig als Lernverhältnis definiert, ihre Dauer auf drei Monate begrenzt werden,“ sagte Sehrbrock.
Nach dem Studium sollten Praktika durch Berufseinstiegsprogramme ersetzt werden.

Schon seit Jahren weist die DGB-Jugend auf den zunehmenden Missbrauch von PraktikantInnen als unter- oder gar unbezahlte Arbeitskräfte hin. Sie fordert die Begrenzung der Praktika auf drei Monate, eine Vergütung von mindestens 300.- Euro pro Monat, fachliche Betreuung und einen Ausbildungsplan.

Unterschied zwischen Praktikum und Arbeitsverhältnis

Ein Praktikum ist dazu da, Personen berufliche Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen zu vermitteln, die sie im Rahmen einer Gesamtausbildung benötigen. Falls die Vermittlung praktischer Erfahrungen nicht im Vordergrund steht, sondern die Erbringung von Arbeitsleistungen, handelt es sich nicht um ein Praktikum, sondern um ein Arbeitsverhältnis.

Praktika-Arten

Man unterscheidet zwei Arten von Praktika:

  • Praktika, die nur zum Kennenlernen des Berufslebens dienen (z.B. während der Schulausbildung oder im Rahmen eines Studiums).
  • Praktika, in denen nicht die Arbeitsleistung, sondern der Erwerb beruflicher Fertigkeiten oder Erfahrungen im Vordergrund steht, ohne dass es sich um eine Berufsausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz handelt. 
  • Bei Rechtsverhältnissen, die zwar als Praktikum bezeichnet und bei denen Unentgeltlichkeit vereinbart wird, tatsächlich aber eine Arbeitsleistung erbracht werden muss, handelt es sich um Arbeitsverhältnisse. Der Praktikant ist in diesen Fällen ein Arbeitnehmer.

Vergütungsanspruch

Dient ein Praktikum nur dem Kennenlernen des Berufes, besteht kein gesetzlicher Vergütungsanspruch. Man kann jedoch eine Vergütung vereinbaren.
Handelt es sich um ein Rechtsverhältnis, in dem der Erwerb beruflicher Kenntnisse im Vordergrund steht, besteht ein gesetzlicher Anspruch auf angemessene Vergütung (§ 26 Berufsbildungsgesetz).
Wird das Rechtsverhältnis als Praktikum bezeichnet, tatsächlich aber eine Arbeitsleistung erbracht, so hat der Praktikant als Arbeitnehmer grundsätzlich einen Anspruch auf eine Vergütung (§ 611 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB).

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats

Das Mitbestimmungsrecht nach § 99 Betriebsverfassungsgesetz kommt klar zur Anwendung, da es sich bis auf wenige Ausnahmen auch bei Praktikanten um Einstellungen im Sinne einer Eingliederung handelt. Es ist sehr wichtig, dass Betriebsräte ihre Rechte schon bei der Einstellung und Eingruppierung wahrnehmen. Dabei muß der Betriebsrat immer daran denken, dass durch den vermehrten Einsatz von Praktikanten das Lohn- und Gehaltsgefüge angegriffen wird. Dadurch sind auch reguläre Arbeitsplätze gefährdet.

Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat bei der Anhörung die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Gibt es für Praktikanten keine Tarifgruppe, ist eine Festlegung nach betriebsüblicher Entlohnung anzugeben.

Spätestens bei einer Entlohnung von EUR 0.- sollte der Betriebsrat die Zustimmung zur Eingruppierung verweigern, da dies nicht nur bei längerfristigen Praktika gegen das Sittenwidrigkeitsverbot verstößt, sondern auch den betreffenden Praktikanten benachteiligt.

Ein Entgelt, das sich am Azubi-Gehalt orientiert, wäre angemessen.

 
 
Quellen:

http://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsrecht/Faire-Praktika/inhalt.html

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