Begriffserklärung Multichannel
Multichannel ist die Strategie des Handels, die Verbraucher auf verschiedenen Wegen zu erreichen. Es werden dabei unterschiedliche Vertriebswege kombiniert. Der Kunde soll das gleiche Angebot, den gleichen Service erhalten, egal ob er nun in der Filiale, im Internet, telefonisch oder mobil bestellt. Es handelt sich dabei um den Versuch, neue Kundengruppen zu erreichen, bisherigen Kunden neue Bestellmöglichkeiten zu bieten und spezifische Zielgruppen gesondert anzusprechen.
Die Multichannel-Schulung – Schulung oder Werbeveranstaltung?
Die Trainer der New Media Abteilung sind im Moment fleißig dabei, allen KollegInnen bundesweit das Multi-Channeling näher zu bringen. Allerdings hat man eher den Eindruck einer Werbe-Präsentation beizuwohnen als geschult zu werden.
Durchgängig betonen die Trainer, dass der Markt des gedruckten Buches nicht mehr wachsen wird und durch die „langen Mietlaufzeiten“ der Filialen die Gesamtfläche Buch in Deutschland sehr hoch ist. Jede neu eröffnete Buchhandlung senke die Flächenproduktivität, wenn nicht zugleich mindestens eine andere Fläche geschlossen würde.
Interpretieren könnte man dies so, dass in Zukunft noch möglichst viel Fläche und somit auch Mitarbeiter abgestoßen werden sollen?
Zwischen 1998 und 2008 gab es einen Flächenzuwachs im Buchhandel von 60 000m² an Verkaufsfläche. Woran Hugendubel selbst natürlich auch emsig beteiligt war.
Außerdem wird auf den Strukturwandel im Buchhandel hingewiesen. Laut einer Untersuchung durch ein großes Marktforschungsinstitut werden 80 Mio. Umsatz mit "stationären" Hugendubel-Kunden bei Amazon gemacht. Hier sollte man sich auf jeden Fall klar sein, dass dies bei Amazon nicht nur den reinen Buchumsatz betrifft, sondern auch andere Sortimente.Die Wachstumsprognose bis 2015 wurde folgendermaßen dargestellt:
Das Wachstum für Multichannel wird bei 17% liegen.
Dem stationären Handel wird ein Minus von 13% vorhergesagt.
Tunnelblick Richtung Internet
Es wird ein offensives Marketing geben, um die Marke Hugendubel zu positionieren und die neuen Kanäle bekannt zu machen. Im Besonderen natürlich hugendubel.de.
Die KollegInnen im Laden seien für diese Marketingaktion besonders wichtig; sollen sie doch für den Webshop werben und die Kunden auf die Homepage aufmerksam machen.
Die Kunden also demnach von der Filiale ins Internet (ver)drängen?
Somit den eigenen Arbeitsplatz in Frage stellen - und auch nicht forcieren, dass der Kunde erneut in den Laden kommt? So etwas nennt man auch „am eigenen Ast sägen“.
Wie viele Mitarbeiter werden - im Hinblick darauf - zukünftig in den Filialen überhaupt noch benötigt?
Man darf nicht vergessen: hier in den Geschäften sind Ansprechpartner direkt vor Ort, hier liegt die Kompetenz, hier hat man die Möglichkeit, Kunden noch persönlich zu betreuen.
Aus welchem Grund wird dieses große Potential nicht genutzt und deutlicher herausgestellt? Denn gerade dies wäre eine Möglichkeit, konkurrenzfähig zu bleiben und sich zu positionieren: In Mitarbeiter, in ihr Wissen und in ihre Kompetenz muß investiert werden!
Allerdings hat es nach dieser Multichannel-Werbepräsentation den Anschein, dass die Filialen vollkommen abgeschrieben sind; dass dort zukünftig so gut wie kein Cent mehr hineingesteckt wird.
Weniger KollegInnen, stattdessen Selbstbedienungsterminals und nun auch noch das Verweisen auf den Onlineshop. Das macht die Arbeitsplätze vor Ort nicht gerade sicherer!
Zweigleisig fahren – die Filialen attraktiver machen UND das Internet zu fördern: dies scheint nicht vorgesehen zu sein.
Man hat den Eindruck, das Einzige was zählt und in das überhaupt noch investiert werden soll, ist der Online-Shop. Doch wo bleibt die Investition in die Filialen? Werden die dringend benötigten MitarbeiterInnen eingestellt, um einen erstklassigen Service zu gewährleisten?
Nein.
Man muss nur daran erinnern, dass z.B. der Umbau am Stachus erst einmal auf unbestimmte Zeit „verschoben“ wurde. Dafür wird der IT-Bereich immer weiter ausgebaut. Neue KollegInnen werden vorrangig in dieser Sparte eingestellt und es werden sogar neue Abteilungen gegründet.
Eine provokante Frage:
Kommen Bestellungen über den Web-Shop überhaupt Hugendubel zugute? Oder hat vielmehr allein der große Bruder Weltbild finanziell etwas davon?
Aber: Stopp, wir sind ja inzwischen sowieso nur noch ein großer Konzern, oder nicht?
Die Branche
Wenn man in letzter Zeit die Branchenpresse genauer studiert hat, kommt man zu der Erkenntnis, dass die Strategie des penetranten Forcierens des Onlinehandels nicht die Strategie der Zukunft sein kann.
Von der Presse wird auf die Borders-Pleite eingegangen und nach der Perspektive für Filialisten gefragt. Die DBH würde permanent über Multichannel sprechen, die Antwort auf entscheidende strategische Fragen aber schuldig bleiben:
Amazon sei für viele die Buchhandlung mit dem umfangreichsten Warenangebot und wo möchte sich dann Hugendubel mit seinem Schmalspursortiment positionieren? Darauf gibt es keine Antwort.
Nachfolgend ein Zitat von Jochen Krisch (buchreport.blog) vom 22.07.2011:
Speziell bei Hugendubel (”Die Welt der Bücher”) erlebt man derzeit in den Buchhandlungen eine penetrante Kampagne für den Online-”Shop” (sic!), wo Buchfreunden auf Schritt und Tritt das Gefühl vermittelt wird: “Was wollt Ihr eigentlich noch hier? – Haut ab und geht online!”
Interessant dazu ist auch ein kürzlich erschienener Artikel im Buchreport über das Branchenmarketing für das stationäre Sortiment in Frankreich.
Auch Frankreichs Buchhandel spürt die Umsatzrückgänge vor Ort. Die Einbußen in den Filialen und die Orientierung Richtung Internet sind auch dort existenzbedrohend. Dies soll den Kunden jetzt durch eine Anzeigenkampagne verdeutlicht werden:
Kaufe beim Buchhändler vor Ort, sonst ist er fort.
Dem Leser soll deutlich gemacht werden, dass er mithilft, ein „einzigartiges kulturelles Modell“ am Leben zu erhalten, wenn er seine Bücher im stationären Buchhandel kauft.
Quellen:
http://www.buchreport.de/blog.htm?p=1639
http://www.buchreport.de/nachrichten/handel/handel_nachricht/datum/2011/08/05/kaufe-vor-ort-sonst-ist-er-fort.htm
An Kunden, Käufer und ans arbeitende Buchhändlervolk jeglicher Couleur:
AntwortenLöschenGEHET ZUR HUGENDUBEL-FILIALE VOR ORT,
(und reißet hinweg
die riesigen roten
"www.de"-Fahnen und -Schilder
dort)
SONST IST SIE FORT
(und ihr -
falls ihr dort jobbet -
seid gleichwohl in Bälde
nicht mehr dort!)
Einen ganz besonderen Beigeschmack hat die "Schulung" in Berlin. Nachdem es jahrelang keinerlei Weiterbildungs- und Qualifikationsangebote für die Mitarbeiter gab, werden sie jetzt, wo viele davon ausgehen müssen, in ein paar Monaten ihren Job zu verlieren, zu einer obligatorischen Veranstaltung verdonnert, bei der ihnen nahegebracht wird, wie in Zukunft mit den Kunden umzugehen ist. Diese Darbietung ist für sehr viele von uns überflüssig, weil wir bald keinen Job bei Hugendubel mehr haben werden. Sie trotzdem zum jetzigen Zeitpunkt durchzuziehen, zeigt einmal mehr, wie weit die GL vom Alltag in den Läden entrückt ist und wie gleichgültig ihr letztlich die Mitarbeiter geworden sind.
AntwortenLöschenDiese "Schulungen" sind merkwürdig, mit vielen Dingen rennt man offene Türen ein, es waren doch auch viele Mitarbeiter aus den Filialen, die auf die Schwächen der Online-Schiene bzw. die mangelhafte Integration in den Filialalltag hingewiesen haben und Abhilfe verlangten (unfunktionale Kundenterminals, unakzeptabel lange Lieferzeiten, verwirrende Informationen über Versandgebühren). Als Mitarbeiter wird einem nicht selten das Gefühl gegeben, dass man diese Kritik nicht gerne hört (man "stünde nicht dahinter" usw.). Und jetzt wird man noch mal gedrängt, bloß jeden Kunden auf den Onlne-Shop aufmerksam zu machen und eifrig Produkt-Kommentare für den Shop zu schreiben. Zum Abschluss dann unvermeidlich - frei aus dem Pädagogik-Proseminar: "Und womit beginne ich morgen, was setze ich als nächstes um?".
AntwortenLöschenWir Mitarbeiter warten z.B. schon lange darauf, dass die Monitore an den Bestell-Terminals das Online-Angebot sinnvoll und augenfreundlich darstellen können - oder auch weitere Schwächen behoben werden.
Und auf die drängende und bedrohliche Frage, wohin sich denn demnächst wirklich der stationäre Vertriebskanal entwickeln soll, gibt es keine Antworten. Weiss man es nicht? Gibt es Rede- und Denkverbote?
Lesenswerter Artikel im Buchreport zum Thema Multichannel:
AntwortenLöschenhttp://www.buchreport.de/blog.htm?p=1688
Besten Dank für diesen sehr guten Infoblog-Artikel - klar erkannt und benannt, was läuft und wie es läuft.
AntwortenLöschenUnd wie es uns Filial-Beschäftigte in den Jobverlust treiben wird: siehe Nürnberg, siehe München-Salvatorplatz, siehe Kassel, siehe Berlin-Tauentzien, .....
Behindern können wir diese Strategie nur auf Gesamt-Firmenebene - und nur über die Durchsetzung des Sozialtarifvertrags (mit Hilfe von ver.di).
Und nicht durch Sozialplan-Einzelverhandlungen von letztlich immer GL-abhängigen Filial-Betriebsräten, die immer schwächer sein werden als die Gewerkschaft;
und immer spürbar schwächer als die Unternehmensleitung (mit ihrer "GL-Schritt-für-GL-Schritt-für-GL-Schritt-Strategie", bei immer mehr werdenden, und noch mehr, und dann noch mehr von Schließung und Entlassungen betroffenen Läden: Filiale-um-Filiale-um Filiale-um ...)
Die Pflicht, zur eigenen Hinrichtung und Grablegung beitragen zu müssen, existiert zwar in Diktaturen und Zwangssystemen, hoffentlich jedoch nicht auch DBH-innerbetrieblich (oder etwa doch?).
Also: Erhebt eure Stimme in diesen Multichannel-Indoktrinationskursen gegen die perfide Unternehmensstrategie,
funktioniert sie um zu (im Übrigen dringend nötigen) Diskussionsveranstaltungen mit dem Thema "Wir Hugendubel-Mitarbeiter wehren uns dagegen, am eigenen Grab mitschaufeln zu sollen",
nehmt die hohlen Argumente der Trainerinnen auseinander,
gemeinsam, in der Gruppe - einer oder eine muss sich halt als erste oder erster trauen - und dann machen hoffentlich viele mit beim kritischen Gespräch!
Und dann als nächster Schritt - -
(die Frage kommt ja am Ende der zweieinhalb Stunden):
Was mache ich morgen, am Arbeitsplatz, aus meinen neuen Erkenntnissen?
- - also: in den Läden die Kunden über diese Hintergründe informieren:
dass es darum gehen soll, die Filialen abzuschaffen und alle Kunden Internet zu schicken (und die Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit).
(und vielleicht könnte man ja etlichen dieser unendlich vielen penetranten roten Schildern und Lesezeichen und Reitern und Fahnen mit "www.hugendubel.de", die sich ja eh schon von den Wänden lösen und hässlich in den Filial-Raum hineinragen, dabei etwas behilflich sein, ihren Weg in den Papier- oder Textil- oder Plastik-Müll zu finden ...)
"Kommen Bestellungen über den Web-Shop überhaupt Hugendubel zugute? Oder hat vielmehr allein der große Bruder Weltbild finanziell etwas davon?"
AntwortenLöschenEine ganz wichtige Frage! Soweit ich mitbekommen habe, werden die Internet-Bestellungen zum Versand allein Weltbild gutschrieben. D.h. wir sollen gegenüber den Kunden das Internet propagieren, verschaffen Weltbild ein Umsatzplus und sägen an unserem eigenen Ast!
Weltbildplus = Hugendubelminus