Mittwoch, 22. Juni 2011

Erfolgreich mit Streik!

Dies ist keine Schlagzeile zu Hugendubel, sondern...

... eine Meldung der aktiven Kolleginnen und Kollegen bei Dehner, die sich durch erfolgreiche Streiks eine Lohnerhöhung von 6,5 % erkämpft haben. Dazu unseren herzlichen Glückwunsch! Die Beschäftigten der Gartencenter-Kette können damit einen ersten Etappensieg verbuchen. Ihr seit September 2009 dauernder Kampf um die Wiederherstellung der Tarifbindung geht so mit neuer Motivation weiter. Dazu drücken wir Euch alle grünen Daumen, die wir haben!
Bei Hugendubel sieht die Situation ja (noch) etwas anders aus. Wie die Situation bei uns aussieht, wollen wir heute mal nicht tiefenanalytisch-strategisch wie noch am Montag referieren, sondern ganz locker als Infotainment mit drei Mini-Szenen darstellen. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen, konkreten Orten oder erlebten Situationen sind rein zufällig...


Gaaaanz anders!


Montagmorgen. Eine mittelalte Buchhändlerin und ein mittelalter Buchhändler stehen dichtgedrängt in der proppenvollen U-Bahn. Sie fahren wie immer einige U-Bahn-Stationen zusammen, wenn sie die gleiche Schicht haben. Beide sind unausgeschlafen. Der mittelalte Buchhändler kann sein Gähnen kaum noch unterdrücken.

Buchhändlerin (vorsichtig, weil sie weiß, daß der Kollege kein Gewerkschaftsmitglied ist):
"Hast Du gehört - bei Dehner haben sie 6,5% mehr Lohn rausgeholt?"

Buchhändler (noch nicht ganz wach): "Bei dem Gartencenter?"

Buchhändlerin (jetzt etwas kecker werdend): "Ja, mit Streiks! Die GL ist eingeknickt..."

Buchhändler (immer noch nicht ganz wach, muß ausgiebig gähnen, man versteht nur Bruchstücke): "Jaaa...   ...wir im Buchhandel...  ...Gartencenter...  ...da ist es doch... ......gaaaaaaaaanz anders."

Buchhändlerin (ist verstimmt, sagt nichts und schaut konzentriert auf den Boden). Die Stimme des
U-Bahnfahrers verkündet aus dem Lautsprecher die Haltestation. Beide steigen aus und gehen die Rolltreppe hoch, weiter zur Arbeit.

***



Dialog


Betriebsratsbüro, früher Abend. Das Dutzend anwesender Betriebsrätinnen und Betriebsräte wirkt erschöpft.
Die vergangenen Stunden waren von hitzigen Debatten geprägt. Die Diskussion verlief nach sachlichem Beginn immer emotionaler. Man spürte, wer wen nicht mochte. Irgendwann waren aber alle Argumente ausgetauscht. Nach langem harten Ringen glaubte man eine Mehrheit für die Entscheidung gefunden zu haben, die von der Belegschaft befürwortet wurde, die aber weitreichende Konsequenzen nach sich zog.

Jetzt kam es zur entscheidenden Abstimmung.


Da hob plötzlich ein Kollege die Hand:

"Wir sollten  die Abstimmung verschieben.
Es wäre vielleicht besser, mit der GL doch nochmal das Gespräch zu suchen.
Wir sollten den Dialog nicht abreissen lassen!"


***



Self-fullfilling prophecy


Spätnachmittags im Pausenraum. Zwei Kolleginnen sitzen jeder für sich an einem Tisch. Die jüngere Kollegin liest ein Klatschmagazin für jüngere Leserinnen. Die ältere Kollegin liest ein Klatschmagazin für ältere Leserinnen. Die Jüngere trinkt Cola Light, die Ältere löffelt eine mitgebrachte Gemüsesuppe aus einem Porzellanteller, dem man ansieht, dass er schon einige tausend mal im Geschirrspüler gewesen ist.

Die Jüngere (den Kopf in ihr Magazin gebeugt): "Die ganze Streikerei bringt doch nichts."

Die Ältere (schluckt Suppe hinunter): Bin ganz Deiner Meinung!"

Stille.

Die Jüngere (den Kopf in ihr Magazin gebeugt): "Da macht doch eh´ keiner mit!"

Die Ältere (schluckt Fruchtsaft hinunter):  "Seh´ ich genauso."

Stille.

Die Jüngere (den Kopf in ihr Magazin gebeugt):  "Wir können hier nichts ändern."

Die Ältere (schluckt wieder Suppe hinunter. Sie will etwas sagen, zögert kurz):   "Eigentlich fühle ich mich ganz wohl hier."


Plötzlich wird die Tür des Pausenraumes aufgerissen. Ein jüngerer Kollege, enthusiastisch, aber auch etwas angespannt wirkend, steckt seinen Kopf durch den Türspalt und ruft mit etwas zu lauter Stimme:
"Was ist mit Euch los? Kommt doch mit runter in den Hof und macht mit!"

Beide, die jüngere und die ältere Kollegin schauen den Kollegen ruckartig an. Weniger erschrocken, sondern eher irritiert. Der jüngere Kollege verharrt einen Moment in der Tür, sieht beide an, auf eine Reaktion wartend. Als er merkt, daß es vergeblich ist, macht er die Tür zum Pausenraum leise zu.

Einige Minuten Stille.

Die jüngere Kollegin hat die Lektüre des Magazins beendet, legt es auf den Stapel der anderen Zeitschriften und sieht auf die Uhr. Die ältere Kollegin steht auf und stellt den leergegessenen Teller in die Geschirrspülmaschine. (Vom Hof unten sind Geräusche zu hören.) Die ältere Kollegin, neugierig geworden, geht zum Fenster des Pausenraums, das zum Hof zeigt. Da sich der Pausenraum im vierten Stock befindet, kann sie kaum etwas verstehen. Sie öffnet das Fenster und blickt hinunter. Jetzt stellt sich auch die jüngere Kollegin neben sie und blickt auf den Hof.

Im Hof steht ein kleines Häuflein von Beschäftigten der Firma, in der auch die jüngere und die ältere Kollegin angestellt sind. Unten halten zwei Kollegen ein selbstgemachtes Transparent in die Höhe. Der jüngere Kollege von vorhin hält eine Rede. Aus den oberen Stockwerken des Gebäudekomplexes sehen immer mehr Beschäftigte dem Geschehen im Hof zu. Das Häuflein unten bleibt klein.

Nach einer Weile macht die ältere Kollegin das Fenster wieder zu.

"Sag´ich doch - bringt nichts", sagt die jüngere Kollegin.

"Das sind ja viel zu wenige!"

Beide gehen wieder an ihre Arbeitsplätze.


***



4 Kommentare:

  1. gäääähn.
    und was soll uns das sagen???
    ich lese daraus lediglich, dass es in dieser firma noch leute gibt, die nicht auf teufel komm raus jeden krawall mitmachen, sondern einfach nur ihre ruhe haben wollen. zum glück.

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  2. laßt euch nicht entmutigen! solche leute gibts überall! die schreien erst auf wenn´s ihnen selbst an den kragen geht und es schon zu spät ist!
    kämpft weiter für eure rechte!

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  3. Wenn man für seine Rechte eintritt, kritisch denkt, handelt, nicht zu allem Ja sagt und dies dann als Krawall bezeichnet wird, dann tut es mir echt leid, dass Hugendubel solche Mitarbeiter hat.
    Mitarbeiter, die nur Ruhe haben wollen und sich für gar nichts interessieren. Nicht mal für ihre eigene Zukunft.
    Unkritisch verrichten sie tagein tagaus ihre Arbeit, ohne nach Links und rechts zu schauen.
    Ich, als Unternehmen möchte solche Mitarbeiter nicht haben.
    Andererseits, ist das für die GL aber auch gut, weil alles ohne Widerspruch hingenommen wird.

    Wenn man nur seine Ruhe haben möchte, bedeutet das ja auch, nicht handeln zu müssen, nicht aktiv werden zu müssen, sich zurücklehenen zu können und schauen, ob andere was tun.
    Sich zu überlegen, selbst bei Aktionen mitzumachen, wird einfach ausgeblendet.
    Ich will ja nur meine Ruhe und keinen Krawall. Schön bequem.

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  4. Ich wollte mich mal auf diesem Wege bei der Redaktion des Hugendubel Verdi Blogs bedanken. Für ihr Engagement und ihre soziale Integrität. Ich vermute, daß viele Artikel in der Freizeit geschrieben werden und zolle euch Hochachtung und Respekt, daß ihr euch die Mühe macht und soviel Zeit investiert. Ich hoffe, daß eure Artikel von vielen Buchhändlern gelesen werden und zum Nachdenken, gegebenenfalls zum Umdenken veranlassen.
    Es ist eine Freude, diese gut formulierten und sehr sehr interessanten Artikel zu lesen. Besonders gefällt mir, daß ihr euren Bogen weit spannt, Zusammenhänge erkennt und benennt, über den kleinen Horizont hinausschaut, auf andere Branchen schaut. Hinter all euren Artikeln spüre ich den Versuch, ein Gefühl der Solidarität unter den Beschäftigten des Einzelhandels und der mit der Buchbranche verwandten Firmen zu erzeugen. Auch ich halte diese Solidarität für enorm wichtig.
    Gestern hatte das ZDF den Bericht von Wallraff über das Mobbing von Betriebsräten ausgestrahlt und wie die Firmen versuchen, diese unliebsamen Zeitgenossen loszuwerden. Auch in diesem Bericht ist wieder ganz klar geworden, wie wichtig die Solidarität ist. Eben auch die Solidarität von Belegschaft und Betriebsrat. Wenn die Geschäftsführung erst mal anfängt, die Belegschaft gegen den Betriebsrat aufzuhetzen und die Mitarbeiter mit Druck oder "Geschenken" manipuliert oder bestochen werden, zeigt sich, wieviel die Solidarität wert ist.
    Und noch einmal. Man kann es gar nicht oft genug schreiben. Der einzelne Arbeitnehmer ist der Willkür und der vermeintlichen Allmacht des Arbeitgebers oftmals ausgeliefert, zumindest empfinden es die meisten vermutlich so.
    Daher solidarisieren und nochmals solidarisieren.
    Zum Ausbeuten gehören immer zwei. Der Arbeitgeber auf der einen Seite, der passive, resignierte, desinteressierte, angstvolle Arbeitnehmer auf der anderen Seite.

    Liebe Blog Redaktion, bitte macht weiter so. Ich schaue mittlerweile jeden Tag bei euch rein.
    Euer angefressener Bücherwurm

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