„Streik-News: Warnstreik bei Libri“. Unter diesem Titel hatten wir hier im Blog am 09. und 16. Dezember 2010 von einer Arbeitskampfmaßnahme in Bad Hersfeld berichtet. Auslöser der Aktion, mitten im Weihnachtsgeschäft, war das Verbot einer geplanten Betriebsversammlung. Das Bad Hersfelder Arbeitsgericht hatte eine einstweilige Verfügung auf Antrag der Libri-Geschäftsleitung bestätigt.
Wir haben uns gefragt, wo denn die Hintergründe für so heftige Auseinandersetzungen liegen. Durch intensive Recherchen sind wir auf viele interessante Informationen gestoßen:
Der Ursprung liegt im Jahr 2005: Der Arbeitgeber Libri GmbH stieg in jenem Jahr aus dem Arbeitgeberverband Groß- und Außenhandel / Verlage Hessen aus. Dies bedeutete für die Belegschaft in Bad Hersfeld ausbleibende Tariferhöhungen und keine finanziellen Weiterentwicklungen bei möglichen Sprüngen in den folgenden Tätigkeitsjahren. Die Gehälter blieben mit dem Stand von 2005 weitgehend unverändert, was Libri mit dem Hinweis auf seine Wettbewerbsfähigkeit begründet.
Fatal für die dortigen Arbeitnehmer, werden doch steigende Lebenshaltungskosten und inflationäre Entwicklung nicht wenigstens teilweise mehr aufgefangen. Für jeden Mitarbeiter bleibt nur der Schritt zum Einzelgespräch, um über eine Gehaltserhöhung zu verhandeln. Dafür ist allerdings viel Mut, Überwindung und Geschick von Nöten, mit meist wenig Aussicht auf Erfolg, da Arbeitgeber derzeit gerne auf hohe Personalkosten und schlechte wirtschaftliche Lage verweisen.
Auch neuen Bewerbern um einen Arbeitsplatz bleiben nur die Optionen, das Gehaltsangebot bei Libri zu akzeptieren oder ein höheres Gehalt zu verhandeln, in letzterem Fall mit sinkenden Chancen auf Einstellung. Eingruppierungen nach Branchentarif erfolgen nicht mehr.
Jedoch ist es Libri nicht gelungen, vollständig aus der Tarifbindung auszusteigen. Wenigstens bis zum Ende seiner Laufzeit hat der Manteltarifvertrag weiter Gültigkeit, da dieser in Hessen „allgemeinverbindlich“ ist. Ein Tarifvertrag gilt dann als „allgemeinverbindlich“, wenn er vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales oder, wie in unserem Fall auf Landesebene, vom Hessischen Ministerium für Arbeit, Familie und Gesundheit dazu erklärt wurde. Die Allgemeinverbindlichkeit stärkt die Gleichbehandlung innerhalb einer Branche, gilt daher auch für Arbeitnehmer die nicht in der Gewerkschaft sind und bindet Arbeitgeber, auch wenn sie nicht mehr dem Arbeitgeberverband angehören.
Auch um die Allgemeinverbindlichkeit des Manteltarifvertrages zu kippen ist Libri vor Gericht gezogen; jedoch ohne Erfolg. So verbuchen die Kolleginnen und Kollegen bei Libri noch jährlich Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und weitere Leistungen für sich.
Selbstverständlich hat man bei Libri auch eine passende Begründung für den Ausstieg aus dem Arbeitgeberverband und das mangelnde Interesse eines Wiedereintritts:
Libri sieht sich nicht als Buchgroßhändler sondern als Logistiker, da man ja nur die Bücher zu den Kunden (Buchhandlungen) bringt, und mehr nicht.