Donnerstag, 3. März 2011

Internationaler Tag des freien Sonntags

3.März: Internationaler Tag des freien Sonntags

Der Sonn- und Feiertagsschutz hat einen hohen Stellenwert in Bayern. In fast allen politischen Lagern erfährt der arbeitsfreie Sonntag eine hohe Wertschätzung. Es besteht ein breiter gesellschaftlicher Konsens, die Sonntagsarbeit aus kulturellen, religiösen und sozialen Gründen auf das gesellschaftlich notwendige Maß zu begrenzen. Bayern hat als einziges Bundesland 2006 im Zuge der Föderalismusreform dem Trend widerstanden, den Ladenschluss sonn- und werktags weiter zu liberalisieren. Der Freistaat ist damit zu einem Vorbild für andere Bundesländer geworden, die vereinzelt beginnen, die Uhren beim Ladenschluss wieder zurückzudrehen.

Rechtlich steht der bayerische Sonntagsschutz im Einklang mit dem wegweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 1.12.2009, das den arbeitsfreien Sonntag als Grundrecht in aller Deutlichkeit gestärkt hat. Die staatliche Sonntagsgarantie schützt Ehe und Familie, die Religionsfreiheit, die Vereinigungsfreiheit und andere Grundrechte. Verkaufsoffene Sonntage im Einzelhandel sind laut Bundesverfassungsgericht nur ausnahmsweise mit einem außerordentlichen öffentlichen Interesse, nicht aber mit kommerziellen Interessen begründbar.

Erosion der Regeln durch die Ausnahmen

Trotz dieser Rechtslage verliert der Sonntagsschutz in der Praxis an Verbindlichkeit. Er erodiert durch immer neue Ausnahmen. Dies spiegelt sich in der branchenübergreifenden Entwicklung der Sonntagsarbeit. So stieg die Zahl der Erwerbstätigen, die in Bayern gelegentlich, regelmäßig oder ständig an Sonn- und Feiertagen arbeiten müssen, branchenübergreifend zwischen 1995 und 2008 von 1,3 auf 1,8 Millionen an. 2009 sank sie im Zuge der Wirtschaftskrise leicht (Schaubild 1).

Die Erosion der Sonntagsgarantie zeigt sich auch an der Zunahme verkaufsoffener Sonntage nach § 14 Ladenschlussgesetz. Fanden Anfang der 90er Jahre in allen Landkreisen und kreisfreien Städten zusammen noch etwa 1200 solcher Veranstaltungen statt sind es heute über 2000 (Schaubild 2). In immer mehr Regionen Bayerns sind an fast jedem Sonntag im Jahr irgendwo offene Geschäfte zu finden. Die betroffenen Erwerbstätigen und ihre Familien verlieren eine besonders wertvolle Sozialzeit. Der öffentliche Charakter des Tages ändert sich empfindlich.

Schaubild 1: Sonntagsarbeit in Bayern 1995-2009, alle Branchen Anzahl der Erwerbstätigen, die an Sonn- und Feiertagen arbeiten müssen, in Millionen



Schaubild 2: Verkaufsoffene Sonn- und Feiertage in Bayern Anzahl der Öffnungen nach § 14 LadSchlG in den Bezirken 1990,1998, 2005 und 2010


 
Missstände in der Genehmigungspraxis
 
Die Ausbreitung verkaufsoffener Sonn- und Feiertage ist auf verschiedene Fehlentwicklungen zurückzuführen. Die geltenden Umsetzungsvorschriften des bayerischen Arbeitsministeriums, die den Kommunen bei der Genehmigung solcher Verkaufsevents enge Grenzen setzen, werden vielerorts ignoriert.
 
Insbesondere sind in der Praxis folgende Missstände bei Verordnungen nach § 14 LadSchlG zu beobachten:
 
1. Anlässe für Sonntagsöffnungen werden erfunden. Laut Vorschrift muss ein Anlass wie ein Markt, eine Messe oder ein Fest und nicht die Ladenöffnung im Vordergrund stehen. In der Praxis werden Märkte oft von Einzelhändlern, Werbevereinen oder eigens darauf spezialisierten Agenturen konstruiert mit dem bloßen Ziel, an bestimmten Sonntagen die Geschäfte zu öffnen.
 
2. Die Zugkraft des eigentlichen Anlasses wird nicht untersucht. Laut Vorschrift muss der Markt, nicht die Ladenöffnung, einen beträchtlichen auswärtigen Besucherstrom anziehen. Dies muss die Kommune bei der Verordnung mit strengem Maßstab sachgerecht prüfen. In der Praxis ist dies kaum je erkennbar der Fall.
 
3. Die Ladenöffnung wird nicht beschränkt. Laut Vorschrift sind Kommunen gehalten, die sonntägliche Ladenöffnung anlässlich eines Marktes auf die angrenzenden Verkaufsstellen oder auf bestimmte, zum Anlass passende Handelszweige zu beschränken. In der Praxis werden jedoch in der Regel alle Geschäfte einbezogen, häufig auch in fernab liegende Stadtteilen oder Gewerbegebieten.
 
4. Es werden Pauschalgenehmigungen erteilt. Laut Vorschrift hat die Kommune die besondere Zugkraft eines Marktes in jedem Einzelfall streng und sachgerecht zu prüfen. In der Praxis werden aber Verordnungen für ein ganzes Paket verkaufsoffener Sonntage oder gleich ganz unbefristet erlassen
 
5. Kirchen und Gewerkschaften werden nicht angehört. Laut Vorschrift sind Kommunen gehalten, vor Erlass einer Rechtsverordnung auch die Gewerkschaften und die örtlichen Kirchen um eine Stellungnahme zu bitten. In der Praxis findet dies oft sehr kurzfristig, ohne nähere Angaben zu dem Anlass und den erwarteten Besucherströmen statt – oder auch gar nicht. Beispiel Cham: Der DGB erfuhr nur auf eigene Anfrage bei der Stadt von einem geplanten verkaufsoffenen Sonntag, der ohne nähere Nennung eines Anlasses ausgerechnet am 1. Mai 2011, dem Tag der Arbeit, stattfinden sollte. Nach Beschwerden wurde dieser verkaufsoffene Sonntag wiederum beliebig auf einen neuen Termin verschoben.
 
6. Wichtige Feiertage werden nicht geschont. Laut Bundesverfassungsgericht schützt der arbeitsfreie Sonntag die Religionsfreiheit und die Vereinigungsfreiheit. In der Praxis wird Sonntagsshopping allerdings nicht selten mit einer gewissen Achtlosigkeit gegenüber Kirchen und Gewerkschaften auf wichtige Feiertage gelegt. Hierzu gehören in diesem Jahr eine ganze Reihe von geplanten verkaufsoffenen Sonntagen am 1. Mai (z.B. in Waldkraiburg, Fürstenfeldbruck, Simbach, Sulzbach-Rosenberg). Hierzu gehören auch Sonntagsöffnungen an Ostern, Pfingsten oder selbst an durch das Feiertagsgesetz besonders geschützten „stillen Tagen“ wie dem Totensonntag.
 
Sonntagsschutz und Ladenschluss – bayerische Markenzeichen!
 
Sonntagsschutz und Ladenschluss sind Errungenschaften, die modern bleiben, weil sie die Gesellschaft aufatmen lassen. Für 330.000 Beschäftigte im bayerischen Einzelhandel und ihre Familien sind sie unverzichtbar. Auch Kirchengemeinden, Vereine und andere Gemeinschaftsformen brauchen verlässliche gemeinsame Zeitinseln. Nicht zuletzt familiengeprägte Betriebe profitieren davon. Das bayerische Handwerk wehrt sich seit langem gegen Aufweichungen bei Ladenschluss und Sonntagsschutz. Der Ladenschluss ist auch Mittelstandsförderung.
 
Unsere Forderungen:
 
1. Alle bisherigen Sonntagsöffnungen auf den Prüfstand stellen! Die Genehmigungspraxis für §§ 10, 14 und 23 LadSchlG muss evaluiert, geltende Schutzvorschriften müssen endlich wieder durchgesetzt werden.
 
2. Sonntagsschutz auf höhere Ebenen rückverlagern! Die staatliche Schutzgarantie darf nicht durch falsch verstandene Subsidiarität ausgehebelt und im Wettbewerb der Kommunen zerrieben werde.
 
3. Sonderöffnungen nach § 23 LadSchlG auf ein Minimum reduzieren! Nur bei sehr seltenen Versorgungsnotständen in der Bevölkerung ist die Anwendung dieses Paragraphen sinnvoll zu begründen.
 
 
Quellen:
 
http://www.kda-bayern.de/
http://www.kda-ekd.de/
http://www.sonntagsallianz-bayern.de/
http://www.allianz-fuer-den-freien-sonntag.de/
http://www.verdi.de/

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