Mittwoch, 2. März 2011

Alles streng geheim?


Arbeitgeber neigen dazu, ihre Informationen an den Betriebsrat mit dem Siegel "Betriebsgeheimnis" zu versehen, um die betriebliche Interessenvertretung zum Stillschweigen zu verpflichten.
Sie berufen sich dabei auf § 79, Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes. Dort heißt es: "Die Mitglieder und Ersatzmitglieder des Betriebsrates sind verpflichtet, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zum Betriebsrat bekannt geworden und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet worden sind, nicht zu offenbaren und nicht zu verwerten."

Dabei spielt der § 106 BetrVG eine zentrale Rolle. Denn diese Rechtsnorm sichert dem Betriebsrat den Anspruch auf Informationen zu, damit er seinen allgemeinen Aufgaben, Informationspflichten gegenüber den Beschäftigten, nachkommen und vor allem seine Mitbestimmungsrechte wahrnehmen kann. (Auch Unternehmer, also Arbeitgeber, haben eine Unterrichtungspflicht nach § 110 BetrVG gegenüber den Mitarbeitern.)

„Der Betriebsrat ist die Interessenvertretung der Belegschaft. Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit ist nicht so weitgehend auszulegen, dass die Interessenvertretung dahinter zurückzutreten hätte."

(Bundesarbeitsgericht 1952 – bis heute gültig)

Wie ein Blick ins BetrVG zeigt, ist der Betriebsrat verpflichtet, die Interessen der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber zu vertreten. Der Gesetzgeber hat außerdem zur Kontrolle der Betriebsratstätigkeit und zur Verbesserung der Kommunikation zwischen Betriebsrat und Belegschaft verbindlich mind. 4 Betriebsversammlungen pro Jahr vorgeschrieben und zahlreiche zusätzliche Kommunikationsgebote gesetzlich verankert. Dies alles auch, weil der Betriebsrat die Selbständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmer und Arbeitsgruppen fördern soll.

Der Betriebsrat wurde von den Arbeitnehmern gewählt. Seine Wähler haben das Recht auf regelmäßige Informationen.

Die Kommunikation mit der Belegschaft ist eine der Grundpfeiler einer guten Betriebsratsarbeit. Damit ist es aber in manchen Unternehmen nicht zum Besten bestellt. Insbesondere wenn erstens die Anzahl der Arbeitnehmer groß ist und noch dazu ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat bundesweit agiert, was eine Kommunikation zusätzlich erschwert und zweitens Betriebsversammlungen unbefriedigend in ihrer Informationsgüte sind, eher schlecht besucht und/oder unregelmäßig einberufen werden.
Erschwerend kommt hinzu, dass in machen Betriebsratsgremien – aufgrund der Mehrheit ihrer Mitglieder - ganz generell ein ausgeprägter Hang festzustellen ist, alles vom Arbeitgeber anvertraute "geheim zu halten". Dieser Hang hat dann (oftmals) zur Folge, dass die Belegschaft weder in ausreichendem Maße oder gar nur einseitig informiert wird noch kann sie sich einbringen, damit der Betriebsrat seinen gesetzlichen Aufgaben tatsächlich gerecht werden kann.

Die meisten dieser angeblichen Betriebsgeheimnisse sind gar keine. Damit für Betriebsratsmitglieder die Pflicht zur Geheimhaltung greift, müssen vier Bedingungen gleichzeitig erfüllt sein:

1. Es muss sich wirklich um ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis handeln. Beispielsweise um neue technische Verfahren oder Produkte, Kundenlisten, Absatzplanungen oder geheime Kalkulationen und wenn ein Bekanntwerden dem Betrieb einen "nachweisbar" großen Schaden zufügen würde. Wenn der Einsatz neuer technischer Verfahren zu einem Arbeitsplatzabbau führt, kann der Betriebsrat selbstverständlich über die Auswirkungen für die Belegschaft informieren, er darf aber nicht über technische Details berichten.

2. Es handelt sich um ein Geheimnis

3. Der Arbeitgeber muss ausdrücklich darauf hingewiesen haben, dass darüber Stillschweigen bewahrt werden muss

4. Es wurde dem Betriebsrat in seiner Funktion mitgeteilt

Es müssen alle vier Voraussetzungen gemeinsam vorliegen.
Über persönliche Angelegenheiten der Beschäftigten, die ihm als Betriebsrat anvertraut werden, hat er Stillschweigen zu bewahren.

Beschlüsse des Betriebsrats

Außer in den oben genannten Punkten dürfen Betriebsratsmitglieder nicht zum Schweigen verdonnert werden. Sie dürfen selbst dann über Beschlüsse und Abstimmungen berichten, wenn im Betriebsrat Vertraulichkeit beschlossen wurde.
Niemand kann ihnen verbieten, die Belegschaft darüber zu informieren, dass sie in einer bestimmten Frage anders als die Mehrheit gestimmt haben oder dass ihre Vorschläge mehrheitlich abgelehnt wurden.

Der Betriebsrat ist kein "Geheimrat"!


Quelle:

http://www.verdi.de/

1 Kommentar:

  1. "Niemand kann ihnen verbieten, die Belegschaft darüber zu informieren, dass sie in einer bestimmten Frage anders als die Mehrheit gestimmt haben oder dass ihre Vorschläge mehrheitlich abgelehnt wurden."

    Der Informationsfluß zwischen BR und Belegschaft könnte besser sein. Erstens in dem Sinn, dass bei Entscheidungsfindungen die Kolleginnen und Kollegen v o r h e r mit einbezogen werden.

    Zweitens sollte klarer erkennbar sein, welcher Betriebsrat für welche Position steht. In den vier Jahren ist es nur einmal möglich, hier beim einzelnen BR-Mitglied mal nachzufragen: bei der 5-minütigen Vorstellung der Kandidaten zur BR-Wahl, wo dann allerdings nur unverbindliche Statements abgegeben werden.

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