Neues Ladenschlussgesetz in Bayern
Drastische Ausweitung der Sonntags- und Nachtarbeit im Handel und Angriff auf den Sonntagsschutz in Bayern
München, 27.11.2024: Der bayerische Ministerrat hat sich auf einen Gesetzentwurf für ein neues Ladenschlussgesetz vereinbart. Mit Schlagworten wie Entbürokratisierung und Deregulierung wird dabei die Nacht- und Sonntagsarbeit im Handel massiv ausgeweitet. Zwölf Einkaufsnächte führen zu mehr gesundheitsschädlicher Nachtarbeit für die Beschäftigten.
Die völlige Freigabe von Sonntags- und Rund-um-die-Uhr Öffnungen für sogenannten Digitale Kleinstsupermärkte gibt den Konzernen ein Betriebsformat an die Hand, das den massiven Verdrängungswettbewerb gegen klein- und mittelständische Betriebe anheizt und den Sonntagsschutz auf ganzer Linie attackiert. Durch die Verlagerung von Entscheidungskompetenzen auf Städte und Gemeinden, müssen diese nun entscheiden, ob sie Tourismusort sind und somit an bis zu 40 Sonntagen im Jahr Öffnungen erlauben dürfen.
Auf diese Weise wird der grundgesetzlich verankerte Sonntagsschutz in den Grundfesten erschüttert. Die Zeche zahlen Beschäftigte und Verbraucher*innen.
Mehr als 500.000 Beschäftigte, darunter 70 % Frauen, arbeiten im bayerischen Einzelhandel. Die geplante Neuregelung des Ladenschlusses betrifft sie und ihre Familien an erster Stelle. „Der Gesetzesvorschlag ist ein Wolf im Schafspelz mit weitreichenden Folgen. In den Verlautbarungen wird so getan, als ob es bei den bisherigen Ladenöffnungszeiten bleibt. Tatsächlich werden Nachtöffnungen und Sonntagsöffnungen massiv ausgeweitet, den Städten die Öffnung an 40 Sonntagen ermöglicht und neue Betriebsformate gänzlich freigegeben,“ so Luise Klemens, ver.di Landesleiterin in Bayern:
„Es sind überwiegend Frauen, die zukünftig vermehrt an Sonntagen und nachts arbeiten sollen. Acht lange Einkaufsnächte plus vier weitere Einkaufsabende sind eine massive Ausweitung von gesundheitsgefährdender Nachtarbeit für die Beschäftigten. Die zusätzliche Ausweitung der Sonntagsöffnungen wird im Ergebnis die Personalprobleme im Einzelhandel massiv verschärfen. Denn noch mehr Menschen werden den Einzelhandel verlassen“, prognostiziert Hubert Thiermeyer, ver.di Landesfachbereichsleiter für den Handel in Bayern:
„Dass sogenannte Digitale Kleinstsupermärkte Rund-um-die-Uhr und an Sonntagen öffnen dürfen, privilegiert ein Betriebsformat, das mit wenig Personal arbeitet. Die schwammige Formulierung, dass nur öffnen darf, wer kein Verkaufspersonal einsetzt, ermöglicht trotzdem die Beschäftigung von Menschen Rund-um-die Uhr und an Sonntagen. Dieses Betriebsformat wird überwiegend von Handelskonzernen betrieben und diese dürfen nun – dank des bayerischen Kabinetts – 24 Stunden am Tag und an Sonn- und Feiertagen Umsätze von ihren Mitwettbewerbern oder Konkurrenten holen, die mit mehr und qualifizierten Personal arbeiten. Das Ergebnis wird eine weitere Verschärfung des Verdrängungswettbewerbs sein,“ erklärt Luise Klemens, ver.di Landesleiterin in Bayern.
ver.di Bayern verweist auf die Erfahrungen aus den anderen Bundesländern. Dort zeigte sich, dass längere Öffnungszeiten nicht zu mehr Umsatz, sondern lediglich zu Umsatzverlagerungen führen. Deshalb befürchtet ver.di als weitere Folge der geplanten Ausweitung der Öffnungszeiten weitere Umsatzverlagerungen von den Gemeinden, Kleinstädten und Mittelzentren hin zu den Großstädten und von den klein- und mittelständischen Unternehmen hin zu den Konzernen.
„Dass mit der haarsträubenden Formulierung der „gesetzlichen Vermutung“ nun auch noch die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, nach der es einen gewichtigen Anlass für die Genehmigung von Sonntagsöffnungen braucht, ausgehebelt werden soll, schlägt dem Fass den Boden aus. Im Ergebnis all dieser Aufweichungen und Ausweitungen werden die einen noch länger öffnen und die anderen werden sich, wegen der Umsatzverlagerungen die Öffnungszeiten nicht mehr leisten können und für immer schließen“, beschreibt Thiermeyer, eine der möglichen Auswirkungen des neuen Gesetzes.
Zehntausende Protestpostkarten wurden in den letzten Wochen durch die Allianz für den freien Sonntag gesammelt und an den bayerischen Ministerpräsidenten geschickt. Aber scheinbar blieben die Befürchtungen und Sorgen der Beschäftigten und Menschen in Bayern unbeachtet.
ver.di kündigt weiteren Widerstand gegen den Angriff die Gesundheit und das soziale Leben der Beschäftigten im Handel an: „Wir werden uns mit allen Mitteln für den Schutz des arbeitsfreien Sonntags einsetzen und gegen die Ausweitung der Nachtarbeit im Handel vorgehen“, so die Ankündigung von Hubert Thiermeyer.
Quelle: www.handel.verdi.de
Willkommen im 21. Jahrhundert, Bayern!
AntwortenLöschenSchaut Euch um in Europa, wie es dort läuft mit den Öffnungszeiten! Oder ist ein zusammenwachsendes Europa doch nicht mehr so erstrebenswert.
Was hat ein zusammenwachsendes Europa mit schlechten Arbeitsbedingungen für die im Handel Beschäftigten zu tun?
AntwortenLöschen"sich als Tourismusort deklarieren und somit an bis zu 40 Sonntagen öffnen":
AntwortenLöschenSind Aiwanger und Konsorten noch ganz dicht? Was das für die Beschäftigten im Handel, meistens Frauen, bedeutet, kann sich jeder ausmalen. Und das nur, damit sich ein gelangweilter Schnösel am Sonntagnachmittag sich einen Champagner kaufen kann.
Die digitalen Kleinstsupermärkte fördern keineswegs die Einkaufsmöglichkeiten auf dem Land, sondern bewirken nur Umsatzverschiebungen zugunsten der Konzerne. CSU, FDP un Freie Wähler gerieren sich als Anwälte des Mittelstandes, bewirken aber genau das Gegenteil. Wie ich von ver.di-Teilnehmern an den Verhandlungen im zuständigen Ministerium gehört habe, offenbarte sich dort eine erschreckende Inkompetenz der Ministerialbeamten und Politiker. Sie übernehmen einfach ungeprüft jeden neoliberalen Schwachsinn.
AntwortenLöschenWer als Beschäftigter glaubt, sich darauf wg. der Zuschläge einlassen zu müssen, dem sollte klar sein, daß die ganzen Zuschläge wegfallen, wenn diese Form der Arbeit zum Normalfall wird.
AntwortenLöschenDas Ganze ist nur ein Hin- und Hergeschiebe. Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden, in diesem Fall zuungunsten der kleinen und mittleren Geschäfte.
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