Samstag, 24. August 2024

Offener Brief an Hugendubel

 


Der Infoblog-Redaktion ist der Name des Kollegen bekannt.
Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes haben wir ihn unkenntlich gemacht.
Zur besseren Lesbarkeit folgt unten eine normale Textversion.


"Sehr geehrte Frau Hugendubel, sehr geehrter Herr Hugendubel,

sehr geehrte Geschäftsleitung,

liebe Regional- und Filialleiter:innen,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

ein wertschätzendes Miteinander beginnt auf Augenhöhe; ein wertschätzendes Miteinander beinhaltet die Bereitschaft, sich in die Problematik seines Gegenübers hineinzuversetzen; ein wertschätzendes Miteinander sollte sich auf eine offene Kommunikation begründen. Deshalb kommuniziere ich jetzt offen und sehr ehrlich, dass es eine große Problematik gibt, die nach dem letzten Townhall noch deutlicher zum Vorschein kommt.

Frau und Herr Hugendubel, mit einer kurzen Unterbrechung arbeite ich seit 2012 für Sie. Ich war Abteilungsleiter, Warengruppenleiter, stell. Filialleitung und vor allem bin ich Buchhändler aus Überzeugung. Ich habe in den letzten 12 Jahren ein paar Filialen gesehen und in diesen auch gearbeitet. Wir brauchen nicht darüber reden, dass die letzten Jahre uns alle vor starken Herausforderungen gestellt haben. Corona, Inflation, gesellschaftliche Veränderungen, all das macht unser aller Leben nicht einfacher. Und generell würde ich mich als jemanden beschreiben, der Herausforderungen eher

anpacken möchte, als vor ihnen davonzulaufen. Doch mittlerweile muss ich einfach sagen, dass egal ob ich meinen Beruf in der meisten Zeit mag, ich mich nicht vor Herausforderungen scheue und gerne in einem Unternehmen arbeite, dass auch – wenn für mein Empfinden manchmal etwas langwierig – neue Wege gehen möchte, ich nicht mehr für Sie arbeiten kann, wenn sich nicht alsbald grundlegende Dinge ändern werden.

Sie reden seit über einem Jahr davon, dass Sie Gehälter anpassen möchten, dass es eine flächendeckende einheitliche Vergütung gibt; seit einem Jahr werden auch immer wieder Fortbildungsthematiken angesprochen. Und auch wenn ich einige Veränderungen bereits gesehen habe, reichen diese leider nicht aus, um das Unternehmen auch für Mitarbeiter:innen langfristig attraktiv zu machen. Wenn ich weiterhin für Sie arbeite und 2054 in Regelaltersrente gehe, dann habe ich leider nicht einmal ansatzweise meine Entgeltpunkte erreicht; nach 12 Jahren habe ich noch nicht einmal 10 Punkte geschafft. Diese Tendenz macht mir für meine Zukunft Angst. Ich habe mehr als einmal gezeigt, dass ich bereit bin durch Engagement und Fleiß mehr Verantwortung zu übernehmen, dennoch hat mir das nicht geholfen, um mich berufliche bei Ihnen weiterzuentwickeln. Mittlerweile bilde ich mich durch ein Fernstudium selber weiter und werde dadurch langfristig hoffentlich andere Perspektiven haben. Und was mir deutlich bewusst ist, ist, dass ich nur einer von vielen Kolleg:innen bin, denen es genauso geht.

Liebe Frau Hugendubel, lieber Herr Hugendubel, ich weiß, dass auch Sie vor Herausforderungen stehen und dass nicht immer alles aus ökonomischer Sichtweise möglich ist. Aber egal was in Zukunft kommen wird, Sie werden weiterhin fähige Mitarbeiter:innen verlieren, wenn Sie nicht schnellstmöglich etwas ändern werden."

 


Inzwischen haben sich Betriebsrat und Belegschaft der Hugendubel-Filiale
 in Würzburg mit dem Kollegen solidarisiert:


"Sehr geehrte Frau Hugendubel, sehr geehrter Herr Hugendubel,

sehr geehrte Geschäftsleitung,

liebe Regional- und Filialleiter:innen,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

Auch wir in Würzburg sind für Offenheit und ein wertschätzendes Miteinander.

Auch wir glauben, dass Buchhändler:innen bei Hugendubel ein Gehalt verdient haben,

das sie vor Altersarmut schützt.

Wir unterstützen den Appell unseres Kollegen aus Lübeck!


Im Namen des Würzburg Teams

Betriebsrat Würzburg"










13 Kommentare:

  1. Von herzen Danke für diese höflichen, ehrlichen Worte.

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  2. Respekt für dieses sehr mutige, aber auch sehr notwendige Statement.

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  3. Ein sehr ehrliches Statement. Ich bin auch der Überzeugung, dass beim letzten Townhall die KollegInnen in existezieller Notlage mit blumigen Worten vertröstet werden - auf einen Tag, der für Herrn Hugendubel aus seiner Sicht hoffentlich niemals kommen wird... Auch in unserer Filiale lässt sich beobachten, dass versierte Kräfte das Unternehmen verlassen. Durch Auszubildende und Aushilfen lässt sich die Lücke, die bleibt, für den Moment hervorragend stopfen.
    Dass diese jungen Menschen eines Tages auch ein Gehalt haben wollen, von dem sie leben können, bleibt dabei außen vor...

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  4. Für mich war das letzte Townhall ein Schlag ins Gesicht. Alleine Inflationsausgleichsprämie, ach die verpufft...... hätte es selbst nicht so gut formulieren können, wie in dem Schreiben. Insofern Danke für die Worte.

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  5. Hugendubel ist ein für die Außenwirkung hübsch lackiertes Unternehmen, aber für uns Beschäftigte entwickelt sich die Verarmungsperspektive rasant: das ist leider die Realität der Ausbeutung in dieser Firma. Und die letzte Townhall war irgendwie Demotivationsprogramm, die "Argumentationen" fragwürdig, nach den Dankesfloskeln an die engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter inszenierte sich Maximilian Hugendubel schon fast als Wohltäter, doch das Thema Inflationsausgleichsprämie wird dann schnell mit lockerer Zahlenakrobatik weggeräumt.
    Die Suche nach einer anderen Beschäftigungsmöglichkeit, einem besser entlohnten Arbeitsverhältnis ist ein logischer und vernünftiger Schritt, jeder von uns sollte darüber nachdenken und beginnen, sich Perspektiven zu erschließen.
    Danke für den offenen Brief.

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  6. Lieber Kollege, Du sprichst mir aus der Seele. Danke für Deine offenen Worte. Leider habe ich in den letzten Jahren nichts mehr dazu gelernt, eher verlernt. Für Weiterbildung ist keine Zeit, und nein ein Vortrag über Neuerscheinungen ist ein VORtrag und keine Weiterbildung. Auch Townhall ist keine Kommunikation. Kommunikation ist ein Prozess das "Austauschen" von Informationen, Ideen, Gedanken. Machen wir uns nichts vor, es wird sich nichts ändern.

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  7. Ich hoffe, dass wir erfahren werden, was aus dem Mitarbeiter wird. Sollte Hugendubel negative Konsequenzen erwägen, wäre das ein Zeichen für alle. "Mitarbeiterwertschätzung" und so... und ich hoffe, dass mehr Filialen aus der Deckung kommen. Wäre schade, wenn es verpufft.

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  8. Respekt für den Offenen Brief. Allerdings interessiert sich Herr Hugendubel nicht für Offene Briefe. Auf der letzten Betriebsräteversammlung sagte er, dass er kein Problem hat, Personal zu finden, das zu diesen Konditionen arbeitet. Und wo er kein Personal findet, z.B. bei IT, Marketing oder Buchhaltung, da zahlt er saftigen zuschläge, von denen normale Beschäftigte nur träumen können. Es melden sich auch genügend Azubis, weil sie TikTok cool finden. Dass Niedriglöhne und Altersarmut nicht cool sind, dämmert ihnen vielleicht Jahre später - wenn überhaupt.

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  9. Vielen Dank und Respekt für den Mut des Kollegen, der sehr gut zum Ausdruck gebracht hat, was viele von uns denken. Hoffentlich bewegen seine Worte die GL zum Nachdenken.

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  10. Und jetzt gab es in Würzburg den Anschiss du die Regionalleitung. Die Führung entlarvt sich selbst.

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    1. Wäre interessant, was in Lübeck losgelassen wurde? Alle Briefe waren freundlich und nicht beleidigend. Tut mir ja leider für die Führung leid, dass es scheinbar noch Menschen brauch um Geld zu verdienen. So lange die Maschinen uns noch nicht ersetzt haben, sind Gefühle und Meinungen leider noch möglich. Sie versuchen doch nur den Austausch darüber klein zu halten, damit wir ja nicht hoffen gehört zu werden.

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  11. Der Kollege hat gesagt, was viele denken: was bringt uns ein Dankeschön vom Chef für die Leistung, die wir über das Mass des Normalen erbringen. Wir gehen teilweise ans Limit unserer physischen und psychischen Belastbarkeit, damit die Läden geöffnet sein können und ertragen Beschwerden von unzufriedenen Kunden, die den Personalmangel bemerken. Wir wollen keinen Dank! Wir wollen gerechte Löhne ohne Angst vor Altersarmut.

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    1. Vielleicht muss endlich einmal Schluss sein mit dem „ans Limit gehen“,
      auch z. B. die Bereitschaft, selbstverständlich und unentgeltlich die
      Freizeit abschöpfen zu lassen (Stichwort: persönliche Buchempfehlungen) sollte
      auf den Prüfstand.
      Sonst können die Hugendubels fast zu Recht der Meinung sein,
      ihr Personal würde gern und leidenschaftlich zu diesen Bedingungen für sie arbeiten -
      und das auch weiterhin in der Öffentlichkeit behaupten.

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