Montag, 3. September 2018

Braune Einheitsfront

Ein Kommentar

Nutzung mit freundlicher Genehmigung durch Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus e.V.




Mit Hitlergruß, Fake-Plakat und Pogromdrohung: "Besorgte Bürger" in Chemnitz


Die Geschehnisse in der vergangenen Woche in Chemnitz weisen auf eine Entwicklung hin, die sich schon länger abgezeichnet hat: die Entstehung einer breiten völkischen Sammlungsbewegung.
Bei aller notwendigen Differenzierung zwischen den einzelnen inhaltlichen Positionen und organisatorischen Strategien läßt sich eine gemeinsame Grundlage für diese braune Einheitsfront erkennen: Rassismus, Nationalismus und Geschichtsrevisionismus.

Denn wer marschierte da zusammen in Chemnitz? Die Neonazi-Partei NPD, die faschistische Kleinpartei III.Weg, die sich als "Bürgerbewegung" gerierende rechstextreme Pro-Chemnitz-Gruppierung, Hooligans, Rocker aus dem Rotlichtmilieu, Pegida, Identitäre Bewegung, Burschenschaften, die AfD und jede Menge sogenannter "besorgter Bürger".
Da wuchs zusammen, was schon länger zusammen gehörte.

Der rechte Mob instrumentalisierte den Mord an Daniel H. für seine Mobilmachung. Das ist ein zynischer Mißbrauch des Opfers, das sich auf seinem Facebook-Account als Antifaschist erklärt hatte und als Deutsch-Kubaner wegen seines Aussehens selber ein potentielles Opfer der Hetzjagd von Nazi-Schlägern hätte sein können.

Bei der AfD ist spätestens jetzt die bürgerliche Maske gefallen. Lange konnte man rassistische und nationalistische Positionen hinter einem akademisch-bürgerlichen Habitus verstecken. Lange wurde derartige Hetze als bedauerliche Ausnahme entschuldigt.  Die Strategie war immer diesselbe: die rechtsextreme Klientel bekam dass gewünschte Signal, der scheinbürgerliche Flügel wurde beruhigt. Der Abgrenzungsbeschluß des AfD-Bundesvorstandes gegenüber Pegida und Identitärer Bewegung ist dabei von AfD-Politikern in Sachsen und Thüringen schön lange außer Kraft gesetzt worden.

Beunruhigend dabei ist nicht nur die Verrohung und Brutalisierung der Sprache durch AfD-Funktionäre, sondern auch die Verschiebung des öffentlichen Diskurses nach rechts. Im Gewand seines gutbürgerlichen Tweed-Sakkos verwendet das ehemalige CDU-Mitglied Gauland Parolen und Begriffe, die vor einigen Jahren nur auf Neonazi-Demos zu hören waren: "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen" war eine klassische NPD-Parole.

Die Reinwaschung der Rolle der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg - obwohl durch jahrzehntelange Forschung widerlegt - war ein klassisches Thema bei Neonazi-Protesten gegen die Wehrmachtausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung in den neunziger Jahren. Jetzt wiederholt Gauland diese Reinwaschung eines verbrecherischen Militärapparates.

Den absoluten Tiefpunkt markierte unlängst eine AfD-Besuchergruppe aus dem Wahlkreis der AfD-Vorsitzenden Weidel, die im KZ Sachsenhausen den Holocaust anzweifelte. Auch dies kein Einzelfall, sondern Teil einer systematischen Strategie der Geschichtspolitik durch Holocaust-Leugnung in KZ-Gedenkstätten.

Warum steht der Holocaust bei Höcke und Gauland ("Vogelschiss") so im Fokus ihrer nationalistischen Geschichtspolitk? Ganz einfach: weil der Holocaust als eines der größten Menschheitsverbrechen ihnen bei einer Restauration von "Volk" und "Nation" als Hindernis im Weg steht. Deswegen muß alles, was einer positiven Bezugahme auf "Volk" und "Nation" hinderlich ist, relativiert, verleugnet und am besten ganz weggeräumt werden.

AfD-Politike wie Björn Höcke, dem der Politikwissenschaftler Hajo Funke "neo-nationalsozialistisches Gedankengut" attestierte, geben dies auch ganz offen zu und fordern eine "180°-Wende" in der gesellschaftlichen Gedächtniskultur. Unfaßbar, dass es immer noch keine Beobachtung von  AfD und Pegida durch den Verfassungsschutz gibt. Aber von einem Polizei-, Justiz- und Verfassungsschutz-Apparat, der ganz offensichtlich auf dem rechten Auge blind ist und von braunen Sympathisanten durchsetzt ist, kann man wohl nichts anderes erwarten. Die sächsische CDU ("Sachsen ist immun gegen Rechte") und die bayerische CSU ("Herrschaft des Unrechts") sollten sich aber keine Illusionen über das von ihne umworbene rechte Klientel machen: die wählen immer noch lieber das Original.


Aufhören sollte man endlich auch mit der Übernahme der verharmlosenden und irreführenden Verwendung des Begriffes "besorgte Bürger". Wer hinter Nazis, ihren Fahnen und Parolen hinterherläuft und bei Menschenjagden Beifall klatscht, der muß auch akzeptieren, daß man ihn als das bezeichnet, was er ist: ein Rassist nämlich.
 
Insofern ist der SPD-Justizministerium Katharina Barley beizupflichten, die dies klargestellt. hat.
Allerdings ist eine derartige Aussage wenig glaubwürdig, wenn es die SPD bis heute nicht geschafft hat, den sozialdemokratischen Rassisten Thilo Sarrazin endlich aus der SPD rauszuwerfen, auch wenn das der Ex-Parteivorsitzende Gabriel schon vor Jahren großmäulig angekündigt hat.

"Wenn ein Engländer arbeitslos wird" - so ein Spruch in Großbritannien - "dann geht er zum Angeln.
Wenn ein Deutscher arbeitslos wird, dann geht er zu Hitler." Der Spruch ist insofern falsch, weil es vielen der AfD-Wähler gar nicht mal schlecht geht. Und wenn sie die Verantwortlichen für die wirklichen Probleme ansprechen wollen - nämlich prekäre Löhne, Wohnungsnot und Altersarmut - dann sollten sie damit zum Kanzleramt, vor die Parteizentralen oder Konzernsitze ziehen, denen sie das alles zu verdanken haben, aber nicht die Flüchtlinge zum Sündenbock für Dinge machen, für die sie nicht verantwortlich sind. Es ist das alte Spiel, das schon vor dem Flüchtlingsthema gespielt wurde: Schwächere werden gegen noch Schwächere aufgehetzt.

In Dresden gibt es einen islamischen Bevölkerungsanteil von ca 2 % und dennoch kann Pegida seit Jahren Tausende zur angeblichen Rettung des Abendlandes mobilisieren. In Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf gibt es ca 40% Menschen mit Migrationshintergrund und nicht mal ansatzweise diesen braunen Mob. Was läuft da im Kopf falsch?

Das beunruhigendste an den Vorfällen in Chemnitz ist aber, daß es die Stadtgesellschaft nicht geschafft hat, dem braunen Pack auch zahlenmäßig deutlich entgegenzutreten. Bei allen Demos waren die Faschisten doppelt und dreifach überlegen. Das ist eine Bankrotterklärung.

Von offizieller Seite wird insbesondere dem Mob in Sachsen ein "Dialog" angeboten. Anscheinend hat der rechte Sektor dort mittlerweile eine so große Hegemonie erreicht, daß man sich mit derlei Angeboten anzubiedern versucht.

"Faschismus ist aber keine Meinung, sondern ein Verbrechen."

Ende der Durchsage.





Foto: Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus e.V.

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