Donnerstag, 24. August 2017

In der Teilzeitfalle

Rechtsanspruch auf Rückkehr in Vollzeit an Kanzleramt und Arbeitgebern gescheitert

 
 Überwiegend Frauen arbeiten in Teilzeit, viele würden das gerne nur für eine begrenzte Zeit tun. Doch ein Rechtsanspruch auf die Rückkehr zur Vollzeit ist jetzt am Bundeskanzleramt und den Arbeitgebern gescheitert.

Die Auseinandersetzung um die Weiterentwicklung des Teilzeitrechts ist zu einem Beispiel für Lobbyismus und politische Ränkespiele geworden. Große Versprechungen hatten Union und SPD dazu vor dreieinhalb Jahren gemacht. Das Recht, aus einer Teilzeitstelle wieder auf eine Vollzeitstelle zurückzukehren, hatten die drei Regierungsparteien sogar in ihrem Koalitionsvertrag versprochen. Bestehende Nachteile von Teilzeitarbeit wollten sie beseitigen. Aber Papier ist geduldig. Ende Mai ist dieses zentrale frauen- und arbeitsmarktpolitische Vorhaben gescheitert.

Die Arbeitgeber winken ab


Es sind überwiegend Frauen, die in Teilzeit arbeiten, insbesondere, um sich um Kinder oder pflegebedürftige Angehörige zu kümmern. 2015 waren nur zehn Prozent der Mütter vollzeiterwerbstätig, hingegen aber 83 Prozent der Väter, meldete jüngst das Statistische Bundesamt. Knapp 8,6 Millionen Beschäftigte arbeiteten im vergangenen Jahr insgesamt mit einer reduzierten Stundenzahl, aus den verschiedensten Gründen. Oft sind es jedoch Aufgaben auf Zeit, für die sie ihre Arbeitszeit absenken. Wollen sie danach auf eine Vollzeitstelle zurückkehren, winken die meisten Arbeitgeber ab. Viele Frauen geraten so in die sogenannte Teilzeitfalle, kritisieren Gewerkschaften seit Jahren. Weniger Arbeitsstunden als in Vollzeit bedeuten entsprechend niedrigere Verdienste, niedrigere Verdienste sorgen im Alter für geringere Renten.
Im November vergangenen Jahres hatte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, SPD, dem Bundeskanzleramt einen entsprechenden Gesetzentwurf zugeleitet. Er sah einen Rechtsanspruch auf befristete Teilzeit vor. "Ein erster Meilenstein auf dem Weg hin zu einer selbstbestimmten, an den Bedürfnissen unterschiedlicher Lebensphasen orientierten Arbeitszeit und zugleich ein aktiver Beitrag zur Gleichstellung von Frauen, zur Vermeidung von Altersarmut und zur Stützung aller Zweige der Sozialversicherung", heißt es dazu in einer Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).

 

Kanzlerin auf einer Linie mit Arbeitgebern


Seit November wurden - auf Druck des Kanzleramtes - mehrfach Gespräche mit Arbeitgebern und Gewerkschaften zu dem Vorhaben geführt. Kompromissvorschläge des Bundesarbeitsministeriums wurden abgelehnt. Ende Mai hat das Bundeskanzleramt dem Bundesarbeitsministerium mitgeteilt, das Thema werde nicht mehr auf die Tagesordnung dieses Kabinetts kommen.
Streitpunkt war unter anderem die Unternehmensgröße. Der Nahles-Entwurf sollte für alle Betriebe ab 15 Beschäftigten gelten, Bundeskanzleramt und Arbeitgeber sprachen sich für 200 Beschäftigte als Grenze aus. Nur: Viele Frauen arbeiten in kleinen Betrieben. Damit wären rund drei Millionen Teilzeitbeschäftigte durch das Gesetz ausgeschlossen worden. Das wäre nach Berechnungen des Ministeriums die Hälfte der Anspruchsberechtigten.
"Die Arbeitgeber haben mit der Union verhindert, dass viele tausend Frauen aus der Teilzeitfalle herauskommen", sagt Alexa Wolfstädter vom ver.di-Bereich Frauen und Gleichstellungspolitik. Auch geeignetere Teilzeitmodelle wären möglich gewesen, bedauert die Gewerkschafterin. Jetzt bleibt es der nächsten Bundesregierung überlassen, den Rechtsanspruch durchzusetzen und die Frauen aus der Teilzeitfalle zu holen.

Quelle:   Heike Langenberg,  in:   ver.di Publik 4/2017

1 Kommentar:

  1. Münchener BetriebsratsmitgliedSamstag, 26. August 2017 um 19:26:00 MESZ

    Da das hier ein Hugendubel-Blog ist, wäre es vielleicht auch angebracht, zu erwähnen, dass unser Betriebsrat in München durch geschickte Handhabung seiner Mitbestimmungsrechte schon einige Frauen aus dieser sogenannten Falle herausgeholt hat. Sowas ist zwar nicht immer möglich, aber manchmal eben doch. Das sollte trotz aller berechtigten Kritik an der derzeitigen Gesetzgebung nicht vergessen werden. Sonst besteht die Gefahr, dass manche Teilzeitlerin die Flinte auch unter bestehenden Bedingungen zu früh ins Korn wirft.

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