Montag, 31. Juli 2017

"Null Komma null"

Interview mit Stefan Kraft

Stefan Kraft, ver.di, mit unserem BR-Vorsitzenden Uwe Kramm bei der Streikkundgebung am Stachus am 21. Juni


Infoblog: Du bist Verhandlungsführer der ver.di-Tarifkommission für den Buchhandel und die Verlage in Bayern. Was ist der aktuelle Stand nach drei Verhandlungsrunden?

Stefan Kraft: Es gibt vom Arbeitgeberverband nach wie vor kein Angebot. Präzise formuliert: Null Komma null. Es sei denn, wir stimmen substanziellen Verschlechterungen im Manteltarifvertrag zu, also Wegfall der Spätöffnungszuschläge oder Aufweichung des besonderen Kündigungsschutzes für ältere Kolleginnen und Kollegen. Und da machen wir nicht mit.

Infoblog: Deine persönliche Einschätzung der Situation?

Samstag, 29. Juli 2017

Laßt den Sonntag in Ruhe!

Online-Petition gegen Konzernpläne für Sonntagsöffnung



Die Warenhäuser Karstadt und Kaufhof wollen mit einer neuen Kampagne den arbeitsfreien Sonntag im Handel abschaffen. Wir bitten deshalb Beschäftigte des Einzelhandels, mittelständische Händler, Kirchengemeinden, Familienverbände, Sportvereine und alle anderen Freundinnen und Freunde des freien Sonntags, diese Petition bundesweit zu unterstützen.

Sehr geehrter Herr Dr. Fanderl,
sehr geehrter Herr Dr. Link,

 

die von Ihren Warenhäusern angeführte neue Initiative "Selbstbestimmter Sonntag" fordert vor der Bundestagswahl die völlige Abschaffung des freien Sonntags im Einzelhandel. Die Geschäfte sollen nach Ihrem Willen künftig an allen 52 Sonntagen im Jahr öffnen können.
Sie fordern damit eine Änderung des Grundgesetzes. Der Sonntag ist als „Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung“ bislang wirksam geschützt (Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV). Verkaufsoffene Sonntage dürfen nur ausnahmsweise aufgrund eines besonderen Anlasses stattfinden. Würde sich Ihre Initiative durchsetzen, hätte dies nicht nur tiefgreifende Folgen für 3,1 Millionen Handelsbeschäftigte, sondern würde den freien Sonntag insgesamt in Frage stellen.



Freitag, 21. Juli 2017

"Literatur ist Kampf!"

Franzobels Rede zur Literatur
(Bachmannpreis 2017 in Klagenfurt)


Seelenfutter Oder Das süße Glück der Hirngerichteten
Ko taku reo taku ohooho, ko taku reo taku mapihi mauria.

Zu Beginn wird’s grünlich. Grünlich, meine verehrten Damen und Herren, mein Freund Grünlich nämlich, ist überzeugt, dass es in spätestens fünfzig Jahren keine Bücher mehr geben wird, nur noch E-Books mit virtuellen Protagonisten, Avatars, die einem gleich die ganze Handlung vorspielen. Mit entsprechender Musik und, wenn man das will, Kommentaren, Querverweisen, Interpretationen. Man wird, so Grünlich weiter, zwischen verschiedenen, jedenfalls mehr als zwei, Geschlechtern und diversen Enden wählen, ja vermutlich sogar die Geschichte selbst nach eigenem Gutdünken entwickeln können. Mit einem Mausklick wird jeder zu einem Schöpfer. Alles verändert sich. Die Literatur so sehr, dass einem die Augen rausspringen.

In spätestens fünfzig Jahren wird man Buchhandlungen, Bücherregale, ja selbst Bücher so verwundert ansehen wie heutzutage Jugendliche ein Tonbandgerät, ein Pornokino oder eine Steintafel mit sumerischer Keilschrift. Buchhändler und Bibliothekare werden keine Dealer eines Geheimwissens mehr sein, sondern pelzige Mammuts, die sich in ihren Terrarien irgendwie seit dem Pliozän der Aufklärung am Leben gehalten haben. Und Schriftsteller? Ausgestorbene Steinzeitler aus dem Paläolithikum der Schreibmaschine oder dem Neolithikum des Laptops? Längst ersetzt durch den Homo autorencollectivus?