Dienstag, 9. Oktober 2012

Ihle abgeblitzt

Arbeitsgericht weist Großbäckerei in die Schranken

Die Großbäckerei IHLE streitet sich seit Jahren mit ihrem Betriebsrat, auch vor Gericht. Meist geht es dabei um den Gesundheitsschutz für MitarbeiterInnen sowie Arbeitsbedingungen, die aus Sicht der Gewerkschaften an Ausbeutung grenzen. In diesen Auseinandersetzungen hat der jetzige Betriebsratsvorsitzende sehr viel für seine Kolleginnen und Kollegen erreicht und deutliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen durchgesetzt.

Jetzt hat der Friedberger Großbäcker den Spieß umgedreht und seinem BR-Vorsitzenden wegen angeblichen Arbeitszeitbetrugs gekündigt. Die vorgeblichen Beweise dafür hat IHLE mit einer eigens programmierten Spionage-Software erhoben, die der Augsburger Computerdienstleister Netz16 im Auftrag der Geschäftsführung von IHLE auf dem PC des BR-Vorsitzenden installiert hat. IHLE gibt die Ausspähung des BR-Rechners mit geheimdienstlichen Mitteln unumwunden zu: Man habe Firmeninteressen schützen müssen.


Deshalb standen sich Arbeitgeber, Betriebsrat und die Gewerkschaft NGG vor dem Augsburger Arbeitsgericht gegenüber. Am 4. Oktober hat nun das Gericht unter Vorsitz von Richter Manfred Irany entschieden:

Das Gericht wies den Antrag der Firma Ihle ab, weil die Überwachung des Betriebsratsrechners das "allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betriebsratsvorsitzenden verletzt" habe und zudem "nicht verhältnismäßig" gewesen sei. "Es gibt noch Richter in Deutschland", sagte der von der Gewerkschaft engagierte Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler auf der anschließenden Pressekonferenz über Irany, der auch Präsident des Arbeitsgerichts in Augsburg ist. Immer mehr Arbeitgeber in Deutschland würden sich eine Rolle anmaßen, die nur Polizei und Staatsanwaltschaft vorbehalten sei, sagte Däubler, Professor an der Universität Bremen und einer der führenden Arbeitsrechtler hierzulande. Ihle hat jetzt vier Wochen Bedenkzeit.

Tim Lubecki, Geschäftsführer der NGG in Augsburg, rief das Ihle-Management dazu auf, die Kündigung zurückzunehmen und mit Gewerkschaft und Betriebsrat wieder "vertrauensvoll und kooperativ" zusammenzuarbeiten. Ihre Strafanzeige gegen Ihle wegen Behinderung der Betriebsratstätigkeit will die NGG jedoch aufrecht erhalten. Schließlich sei trotz des Urteils nicht klar, wer die Manipulationen am Rechner des Betriebsratsvorsitzenden vorgenommen habe.


Über die Vorgeschichte des Falles mit weiteren Hintergrund-Informationen haben wir erstmals am 25. September berichtet:  http://hugendubelverdi.blogspot.de/2012/09/big-brother-backer-ihle-vor-gericht.html 




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