Donnerstag, 24. Februar 2011

Wenn nicht wir, wer dann?

Heute DGB-Aktionstag "Arbeit - sicher und fair"

Am 24. Februar ist es an den Beschäftigten, für ein Einkommen zum Auskommen einzutreten. Für sichere Arbeit statt Leiharbeit, Minijobs und andere, unsichere Beschäftigungsverhältnisse



Es geht längst nicht mehr darum, in der Industrie Produktionsspitzen mit Leiharbeiter/innen zu überbrücken. Vielmehr machen es sich die Arbeitgeber zunutze, dass man mit den ausgeliehenen Beschäftigten ganz hervorragend Lohn- und Personalkosten drücken kann. Schon jeder achte Leiharbeiter stockt auf. Im Schnitt verdienen Leiharbeiter/innen nach einer gerade vorgelegten Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in etwa nur halb so viel wie die Vollzeitbeschäftigten. Für die Studie wurden die Einkünfte von 500000 Leiharbeiter/innen ausgewertet. Und die haben 2009 in den alten Bundesländern durchschnittlich 1456 Euro brutto verdient, in den neuen Bundesländern kamen sie auf 1124 Euro. Über 20 Prozent von ihnen hatten sogar weniger als 1000 Euro brutto, in den alten Bundesländern mehr als zehn Prozent. Insgesamt 92000 Leiharbeiter/innen mit einer Vollzeitstelle waren auf zusätzliche Unterstützung durch Hartz IV angewiesen. Das heißt: Alle diese Menschen können nicht von ihrer Arbeit leben.


Aber nicht nur Leih­ar­bei­ter/innen sind auf ergänzende Einkünfte angewiesen. 2010 hatten bereits ein Fünftel aller Beschäftigten, das sind 7,19 Millionen, nur einen Minijob. Und der hat ein Gesicht: Es ist weiblich, lebt im Westen und auf dem Land - so eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI). Alle geringfügig Beschäftigten sind auf zusätzliche Einkünfte, entweder durch einen Zweit- und Drittjob, durch andere Haushaltsangehörige oder auf aufstockendes Arbeitslosengeld angewiesen.

Bleibt nur die Wahl zwischen Pest und Cholera?

Leiharbeiter und Minijoberinnen bilden einen Trend ab: Die Vollzeitstellen mit Tariflohn nehmen stetig ab, Leiharbeit, Minijobs, Teilzeitarbeit, Werkverträge, Praktika und ähnliche prekäre Beschäftigungsverhältnisse werden mehr und mehr. Und die Betroffenen haben offenbar nur die Wahl zwischen Pest und Cholera: Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt droht mit massivem Jobabbau, sollten in Deutschland ein gesetzlicher Mindestlohn und die gleiche Bezahlung für Leiharbeiter/innen und Stammbelegschaft eingeführt werden.

Tatsächlich sorgen muss sich der Arbeitgeberpräsident um deren Einführung vorerst nicht. Der Vermittlungsausschuss zu den Hartz-IV-Regelsätzen, dem von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen, CDU, geforderten Bildungspaket und einem Mindestlohn in der Leiharbeit wurde gegen die Wand gefahren. Bundesregierung und Opposition konnten nicht einmal einen Kompromiss in Detailfragen erzielen. Stattdessen werden nur Schuldige gesucht.

Zurück bleibt dabei die Gewissheit, dass es der schwarz-gelben Bundesregierung in keiner Weise um die Armen, die Niedriglöhner, die Menschen in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen und vor allem nicht um die Kinder geht. Die rund 4,8 Millionen Erwachsenen und mehr als zwei Millionen Kinder, die von Hartz IV leben müssen, sind der Regierungskoalition genauso egal wie die inzwischen knappe Million Leiharbeiter/innen und die Millionen Minijobberinnen und anderen Niedriglohnbeschäftigten. Man muss sich nur noch einmal vergegenwärtigen, dass es beim Hartz-IV-Satz um fünf Euro mehr, was die Arbeitsministerin drauflegen will, oder um elf Euro mehr geht, die die SPD fordert.

Die Beschäftigten müssen sich solidarisieren

Was soll man dann davon halten, wenn von der Leyen nach dem Scheitern der Vermittlung im Fernsehen sagt: "Ich finde, Politik sollte jetzt zusammenstehen, sollte auch zeigen, dass man nicht immer jedes Wunschkonzert kriegen kann, sondern dass man verantwortungsbewusst Armut bekämpft." Realität ist: Die Regierung stiehlt sich aus der Verantwortung. Es bleibt den Beschäftigten daher nichts anderes übrig, als die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Stammbelegschaften müssen sich mit den Leiharbeitern solidarisieren. Sonst halten es die Arbeitgeber wie bisher: Sie entlassen die Stammbeschäftigten, um sie hinterher als schlechter bezahlte Leiharbei-ter wieder einzustellen. Minijobberinnen, meist Mütter, müssen Strukturen fordern, die es ihnen erlauben, Vollzeit zu arbeiten, ansonsten ist auch ihre Altersarmut nur eine Frage der Zeit. Aber vor allem die jungen Menschen müssen für ihre Zukunftschancen streiten, gerade sie sind überdurchschnittlich von prekärer Beschäftigung betroffen.

Nicht zuletzt deshalb rufen der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften am 24. Februar zu einem bundesweiten Aktionstag "Arbeit - sicher und fair" in den Betrieben auf. Jede und jeder muss von seiner Arbeit leben können, nicht mehr und nicht weniger.

 
Quelle:

http://publik.verdi.de/2011/ausgabe-01-02/gewerkschaft/titel/seite-1/A0

Informationen und Termine:

http://gerecht-geht-anders.de/unsicher-beschaeftigt
http://www.dgb.de/aktionstag-leiharbeit



Illustration: Anja Schnaars

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