Mittwoch, 6. Oktober 2010

Rückblick auf den Manteltarif - Ausblick auf den Sozialtarif

Interview mit Stefan Kraft, Landessekretär für den ver.di Landesfachbereich Handel


Nach einer dreijährigen Hängepartie kam es am 17.September zu einem Abschluß für einen neuen Manteltarifvertrag im Buchhandel/Bayern. Was war Deiner Meinung nach der Grund für die dann doch überraschend schnelle Einigung?

 Wir alle sind im Vorweihnachtsgeschäft, die KollegInnen haben im Vorfeld zu der Tarifverhandlung deutlich gemacht, dass sie bereit sind für ihre Tarifverträge einzustehen und dafür etwas zu tun, das erzeugt Druck auf Seiten der Unternehmer. Deutlich wurde dies am Tag der Verhandlung, da standen bei Weltbild in Augsburg um 12:00 Uhr - für 5 Minuten - alle Bänder still und die RedakteurInnen fuhren ihre Computer herunter (das mag nicht nur ein Server nicht). Auch bei Hugendubel und anderen Verlagen waren bei einem nicht Abschluss gemeinsame, zeitgleiche Aktionen geplant. Kurz gesagt: Die Arbeitgeberseite hat mitbekommen, dass es bis Weihnachten heiß werden würde.



Was sind die Essentials?

Zum einen mehr Geld, vor allem für die Entgeltgruppen I bis III sind 50,- € gutes Geld. Zum anderen haben wir wieder einen unterschriebenen Manteltarifvertrag der für alle ver.dianer rechtsverbindlich ist, das heißt, er ist im Streitfall einklagbar. Und bitte nicht vergessen: alle Betriebsräte haben bei Einstellungen etc. wieder einen Tarifvertrag auf den sie Bezug nehmen können.


In einigen Punkten gab es Zugeständnisse an die Arbeitgeberseite...


Ja, leider, an zwei Stellen haben wir nachgegeben, um das Paket als Ganzes zu erreichen. Wenn ein Unternehmer rationalisiert und Menschen entlässt, ist die Kündigungsfrist zum Quartal nicht mehr 9-Monate sondern nur noch ein halbes Jahr. Und, vor allem für die BuchhändlerInnen, beginnt die Zuschlagszeit am Samstag erst um 18:30 Uhr analog dem Einzelhandel. Der Sonntagszuschlag beginnt nun auch erst am Sonntag um 00:00 Uhr. Das Gute zum Schluss: an der Arbeitszeit, dem Urlaubs- und Weihnachtsgeld, den Zuschlagshöhen, dem besonderen Kündigungsschutz für ältere KollegInnen hat sich nichts geändert und ist jetzt wieder in Kraft. Ein Erfolg von uns allen.


Warum ist gerade jetzt ein guter Zeitpunkt, um Gewerkschaftsmitglied zu werden?

Als ArbeitnehmerIn ist es eigentlich grundlegend sich zu jeder Zeit abzusichern und Mitglied in Ihrer/seiner Interessensgemeinschaft sprich in ver.di zu sein. Arbeitgeber sichern sich auch ab, sie sind ja auch alle in einem Verband um sich z.B. in Rechtsfragen beraten zu lassen. Das nur mal grundsätzlich zum Thema. Der Zeitpunkt ist gerade jetzt hervorragend, weil ich durch meine Mitgliedschaft einen direkten Rechtsanspruch auf alles was im Manteltarifvertrag geregelt ist, herstellen kann. Das heißt, wenn ich jetzt Mitglied bin, gilt der Manteltarifvertrag solange bis ein neuer vereinbart wird. Sollte es nicht sofort nach dem 31.12. 2012 einen Abschluss für einen neuen Manteltarifvertrag geben, bin ich erstmals als Mitglied bei ver.di fein raus, weil er für mich weiterhin Bestand hat.


Mit dem MTV ist der erste Schritt getan. Jetzt kommt der zweite Schritt, der STV...


. . . würde für alle Beteiligten im Vorfeld bei kommenden Umstrukturierungen für einen klaren Fahrplan sorgen. Für einen Fall, den man möglichst nicht haben will, da es Menschen um ihre Existenz bringen kann. Sozialtarifvertrag deswegen, weil wir alle erwachsene Menschen sind, die hier ihre eigenen Ideen und Interessen besser einbringen können. Bei Unstimmigkeiten zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat kann ein Schiedsrichter zu Hilfe genommen werden, ein Richter in der sogenannten Einigungsstelle. Der entscheidet und das wars. Beim Tarifvertrag dagegen kann jeder für seine Interessen gemeinsam mit seinen KollegInnen aktiv streiten und streiken. Man ist dadurch nicht von Dritten abhängig, schließlich ist man/frau volljährig und will sich, wie im privatem Leben, nicht bevormunden lassen.


Kannst Du uns schon etwas über geplante Aktionen verraten?

Da wir hier im Infoblog alleine und unter uns sind, kann ich euch folgende Termine und Aktionen schon mal ankündigen:

. . . stimmt ja gar nicht, wir sind Gott sei Dank nicht alleine, aber auch nicht unter uns, deshalb nur so viel: Macht mit, wenn es soweit ist und lasst euch von den kreativen Ideen mitreißen und überraschen!

2 Kommentare:

  1. Ich würde gerne wissen, wie es im neuen MTV mit den Kündigungsfristen vonseiten der Mitarbeiter aussieht...

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  2. Hallo Anonym um 20:00
    Für Arbeitnehmer und Angestellte, die den Schritt der Eigenkündigung gehen, gilt eine gesetzliche Kündigunsfrist von 4 Wochen (28 Tage !)in eindeutiger Schriftform und ohne Begründung. Meistens wird zum Monatsende gekündigt, der 15. (Monatsmitte) ist meines Wissens auch möglich.
    Eine weitergehende tarifliche Regelung gibt es für unsere Branche wahrscheinlich nicht.
    Man kann aber folgende Ansichten ausmachen: Je freiheitlicher, je lieber (Arbeitnehmervertreter /Gewerkschaften)) - je kürzer, je lieber (unser Arbeitgeber derzeit)
    Es ist auch nicht auszuschließen, dass Du derzeit fristlos und ohne Probleme aus Deinem Arbeitsverhältnis rauskommst. Allerdings wäre dies nur ratsam,wenn mans wirklich eilig hat.
    Ich denke, ich liege mit meiner Einschätzung richtig.

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