Interview mit dem US-Historiker Eric Loomis
Die US-Gewerkschaften haben in den vergangenen Jahren wieder etwas an Kraft gewonnen. Wieviel Macht haben sie heute?
Die Gewerkschaften sind in den USA so populär wie nie zuvor. Viele Menschen sind mit ihren Arbeitsplätzen unzufrieden und sehen in den Gewerkschaften einen möglichen Weg in die Zukunft. Deshalb haben wir eine Zunahme der Streiks erlebt. Und einige von ihnen haben echte Erfolge erzielt. Allerdings sind die Zahl der Mitglieder und die Macht der Gewerkschaften gleichgeblieben. Der Grund dafür ist, dass die Unternehmen den arbeitsrechtlichen Apparat kontrollieren. Sie können den gesamten innerbetrieblichen Wahlprozess verlangsamen, enorme gewerkschaftsfeindliche Kampagnen durchführen usw. In einigen kleinen Bereichen gibt es Fortschritte, aber die Gesamtmacht der Gewerkschaften in diesem Land bleibt unverändert.
Sie haben geschrieben, dass der Erfolg der Arbeiterklasse von der Sympathie der Regierung abhängt. Würden Sie Präsident Bidens Haltung gegenüber den Gewerkschaften mit der von Franklin D. Roosevelt vergleichen?
Biden zeigt sowohl die Möglichkeiten als auch die Grenzen im heutigen Kontext auf. Er ist der gewerkschaftsfreundlichste Präsident seit sehr langer Zeit. Die demokratischen Präsidenten von den 70er Jahren bis hin zu Obama hatten nicht wirklich viele Verbindungen zur Gewerkschaftsbewegung. Biden hat das Spielfeld ein wenig neu abgesteckt: Die Bundesbehörde zur Überwachung der Arbeitsbeziehungen reagiert besser, es gibt mehr Regulierung. Auch auf der Exekutivebene wurde einiges getan: Ein Unternehmen wie McDonald’s beispielsweise kann nun nicht mehr Verantwortung abschieben, indem es sagt, dass die einzelne Filiale der eigentliche Arbeitgeber ist. Das sind Dinge, die wichtig sind, denn es ändert die Bedingungen für die Unternehmen, jeden Aspekt der Arbeit zu kontrollieren und keine Verantwortung zu tragen.